Anna Amalie le Coutre (geb. Jacobsohn)

aus Berlin (jüdisch)

geb. in Deutsch Eylau
gest. in Brandenburg/Havel

Biografie

Anna Amalie le Coutre wurde am 1. November 1893 in Deutsch-Eylau als Tochter des jüdischen Kaufmanns Adolf Jacobsohn und seiner Frau Henriette Jacobsohn, geb. Lindemann, geboren. Ihr jüngerer Bruder war der Rechtsanwalt Dr. jur. Kurt Alexander Jacobsohn, geb. 2.9.1897 in Deutsch-Eylau, der zusammen mit seiner Frau Liesbeth Jacobsohn, geb. Guthmann, und ihrem gemeinsamen Sohn Hans Jacobsohn am 15.5.1944 in Auschwitz ermordet wurde. Ihre jüngere Schwester war Regina Pfeiffer-Horn, geb. Jacobsohn (geb. 30.3.1895 in Deutsch-Eylau). Regina Pfeiffer-Horn flüchtete in die USA. In erster Ehe war sie verheiratet mit Alfred Horn und nach dessen Tod mit Dr. Alfred Pfeiffer.

Am 27. März 1916 heiratete Anna Amalie Jacobsohn den Arzt Dr. Paul Bruno Richard le Coutre (geb. 31.3.1888, gest. 19.3.1941) in Deutsch-Eylau. Da Paul le Coutre protestantisch war, konvertierte Anna le Coutre vom Judentum zum Protestantismus. Anna und Paul le Coutre hatten die zwei Kinder Charlotte Louise le Coutre (geb. 26.12.1916 in Wartenburg, gest. 28.10.1991 in Portland, Maine, USA) und Joachim le Coutre (geb. 11.2.1918 in Wartenburg, gest. 26.6.2010 in Göttingen). 

Die Ehe von Anna und Paul le Coutre wurde am 19. Februar 1923 geschieden. Nach der Scheidung ihrer Eltern blieben Charlotte und Joachim le Coutre bei ihrem Vater Paul le Coutre, der 1926 in zweiter Ehe Ruth Stöckert (geb. 2.10.1902, gest. 14.3.1989) heiratete. Das Paar bekam die vier Kinder Eberhard (geb. 07.03.1928, gest. 19.1.2014), Jutta (geb. 21.3.1931, gest. 13.4.2017), Leberecht (geb. 22.5.1934) und Christian (geb. 27.1.1939, gest. 1.1.2022). Die Familie mit nun sechs Kindern lebte in Rügenwalde. Charlotte und Joachim le Coutre hielten den Kontakt zu ihrer Mutter aufrecht und trafen sie regelmäßig. Paul le Coutre starb 1941 eines natürlichen Todes. Gegen Ende des Krieges floh Ruth le Coutre mit ihren jüngeren Kindern nach Husum.

Der Lebensweg von Anna le Coutre nach der Scheidung von Paul le Coutre im Jahr 1923 ist nur unvollständig bekannt. Wahrscheinlich lebte sie zumindest zeitweise in Berlin. Es ist nicht bekannt wo und wie Anna le Coutre in Berlin lebte, bevor sie erfasst und verschleppt wurde. Aber sie war immer wieder in Kontakt mit ihrem in Berlin lebenden Bruder Dr. Kurt Jacobsen. Aus diesem Grund wurde der Stolperstein zu ihrem Gedenken an der Adresse ihres Bruders in der Gieselerstrasse 12 in Berlin Wilmersdorf verlegt.

Ihr Halbbruder Leberecht le Coutre hielt die Erinnerung an sie in privaten Familienarchiven über Jahrzehnte aufrecht, aber aufgrund fehlender Dokumente und sich widersprechender Erzählungen konnte keine präzise Biographie erstellt werden. Erst 2021 liessen sich wenige Details über Anna le Coutres letzte Jahre anhand von öffentlich zugänglichen Archiven in Deutschland rekonstruieren.

Bild
Das Bild zeigt ein altes Schwarz-Weiß-Foto einer Frau, die elegant gekleidet ist. Sie trägt einen dunklen Hut mit einem Schleier und hat lockiges Haar, das unter dem Hut hervorschaut. Ihr Gesichtsausdruck ist ruhig und gelassen, sie blickt direkt in die Kamera. Die Frau trägt ein dunkles Kleid oder einen dunklen Mantel über einer helleren Bluse. Im Hintergrund ist ein gemustertes, wahrscheinlich texturiertes, Tapetenmuster zu erkennen. Das Bild hat einen klassischen, historischen Stil
Foto: Familienbesitz. Anna le Coutre, etwa 1916

Vermutlich wurde Anna le Coutre nach der Machtübernahme durch die Nazis als psychisch krank eingestuft und in einer entsprechenden Institution aufgenommen. Es ist dokumentiert, dass sie 1938 von den Wittenauer Heilstätten in die Landesanstalt Neuruppin verbracht wurde. Am 18. Juli 1940 wurde sie von dort in die Heil- und Pflegeanstalt Berlin-Buch transferiert und zwei Tage später von dort in die Tötungsanstalt Brandenburg gebracht, wo sie am 22. Juli 1940 ermordet wurde. Anna le Coutre wurde aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer angeblichen geistigen Störung im Rahmen des berüchtigten T4-Euthanasie-Programmes  ermordet.

Annas Tochter Charlotte le Coutre floh 1938 nach New York und heiratete Harry Stass (geboren 24.6.1906 gestorben 12.7.2000 in New York) mit dem sie die Kinder Peter Stass (geb. März 1940, verstorben Sommer 1945), George Stass (geb. 8.4.1941), Irene Sarnelli (geb. 21.7.1942), Mary Rokosz (geb. 18.12.1943), Nancy le Coutre (geb. 2.11.1948) und Simone le Coutre (geb. 16.9.1952) hatte. Sie zog auch John Stass auf, den ersten Sohn ihres Ehemanns aus erster Ehe.

Annas Sohn Joachim le Coutre blieb bei seinem Vater und seiner Stiefmutter, verbrachte einige Zeit in Brasilien und kehrte nach Deutschland zurück, wo er trotz seiner jüdischen Herkunft in die Wehrmacht eingezogen wurde bis er entlassen wurde. Er ist der Vater von Thomas le Coutre und Dr. Christine Gross, geb. le Coutre.

Anna le Coutre hatte 8 Enkel und 16 Großenkel, die entweder in den USA oder in Deutschland leben. Wahrscheinlich wusste Anna le Coutre zu Lebzeiten nicht, dass sie bereits ein Enkelkind hatte.

Recherche und Text, Quellen

Recherche und Text: Philipp le Coutre, Nancy le Coutre und Simone le Coutre(In einigen Quellen wird der Name Anna le Coutres fälschlicherweise als le Coutke oder le Contre angegeben):

- Leberecht le Coutre: Private Dokumentationen und Familienunterlagen

- Gedenkort T4: https://www.gedenkort-t4.eu/sites/default/files/media/file/18_0110_opferdatenbank_berlin_buch_dietmar_schulze.pdf

- Gedenkbuch des Bundesarchivs: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de910109

- Brandenburgisches Landeshauptarchiv,Bestand Rep. 55C Landesanstalt Neuruppin, Signatur A 8

- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akte Rep. 55C Landesanstalt Neuruppin Nr. 34

- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 4A Kammergericht Berlin Personalia Nr. 7950:Personalakte von Dr. Kurt Jacobsohn als Rechtsanwalt bzw. Konsulent,1924-1935

- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II)Vermögensverwertungsstelle Nr. 17056 (u. a. Vermögenserklärung von Kurt Jacobsohn, seinerEhefrau und seines Sohnes) 1944-1961

Stolperstein

Der Stolperstein für Anna Amalie le Coutre wurde am 11. April 2024 in  Anwesenheit von Familienangehörigen in der Gieselerstraße 12 in Berlin verlegt und von Familie le Coutre gespendet.

Orte der Biografie

Geburtsort: Deutsch Eylau

Iława
Polen

Weitere Orte: New York

New York, NY
Vereinigte Staaten

Oranienburger Straße 285
13437 Berlin
Deutschland

Hauptaufenthaltsort: Berlin

Berlin
Deutschland

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