Auguste Hermannski (geb. Balk)

Bauer aus Gutkowo (katholisch)

geb. in Gutkowo
gest. in Uchtspringe

Biografie

Auguste Hermanski, geb. Balk, vom Beruf Kätenfrau (Bäuerin), wurde am 26.06.1884 in Göttkendorf (polnisch Gutkowo) geboren. Bis 1945 gehörte das Dorf zu Ermland ( heute Warmia), einer katholischen Enklave innerhalb überwiegend evangelisch geprägten Ostpreußens. 
Das alte Holzhaus von Familie Balk war von ihrem Großvater Johann Balk im Jahr 1850 gebaut worden und stand außerhalb des Dorfes, als Teil einer Bauernsiedlung. 

Auguste Balk besuchte die Volksschule im benachbarten Dorf. Sie ging in die gleiche Klasse, in der auch ihr zukünftiger Ehemann unterrichtet wurde. Als sie 15 Jahre alt war, verstarb am 13.01.1899 ihre 57-jährige Mutter. Ab diesem Tag musste Auguste alle Haushaltspflichten übernehmen. Über ihren Bruder Johann ist nichts bekannt. Der Vater Joseph Balk heiratete erneut. 

Im Jahr 1904 heiratete Auguste Jochim Hermanski (vo Beruf Eigenkäter). Nach der Hochzeit zog er in das Familienhaus von Auguste ein. Der kleine Bauernhof mit einem kleinem Stück Land von 2,36 ha diente ihr als Aussteuer. Es war damals in dieser Region (Preußen, Mecklenburg) weit verbreitet, dass nach ehemaligen Kulmer Recht die Bauernhöfe an die Töchter vererbt wurden. 

Am 26.09.1905 gebar Auguste ihr erstes Kind, ein Mädchen mit dem Namen Maria. Zwei Jahre später, am 17.09.1907 kam der Sohn Aloysius auf die Welt. Die Familie lebte als Selbstversorger ein sehr bescheidenes Leben, deshalb musste sich ihr Ehemann ein zusätzliches Einkommen als Holzfäller und Tagelöhner noch dazu verdienen. Im Jahr 1908 fing ihr Mann an, den Hof zu erweitern, wofür er jahrelang gespart hatte. 

Im Jahr 1909 wurde die Tochter Anna geboren. Sie lebte nur zwei Monate. Am 03.03.1910 wurde ein Mädchen mit dem Namen Hedwig geboren. Sieben Tage nach der Geburt, am 10.03.1910 verstarb Augustes Vater. Kurze Zeit danach erkrankte ihr dreijähriger Sohn Aloysius an Diphterie, was er nicht überlebte. 

Ein halbes Jahr später verschwand  Auguste plötzlich mit dem jüngsten Kind auf dem Arm. Am 09.08.1910 wurden beide, nach einer Suchaktion im naheliegendem Wald in der Nähe des Familienhauses gefunden. Sowohl die Mutter als auch das Baby waren in einem sehr erschöpften Zustand. Verwandten von Auguste nahmen die sechs Monate alte Hedwig in Pflege. Die fünfjährige Tochter Maria blieb mit ihrem Vater im Familienhaus. Für den Haushalt und Erziehung bekamen sie Unterstützung von ihrer 14-jährigen Cousine. 

Am 09. August 1910 folgte die Einweisung und die Aufnahme in der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Kortau bei Allenstein. Erforderlich für die Aufnahme waren ein schriftlicher Antrag des Ehemannes sowie eine Bescheinigung der Gemeindevorstehers über die Gemeingefährdung. Im Strafregister der Königlichen Staatsanwaltschaft Allenstein ist der Vermerk „nicht verurteilt“ zu lesen.

Am 25. August 1910 wurde sie entlassen und vom Ehemann Joachim nach Hause gebracht. Am 05. Dezember 1910 erfolgte die Wiederaufnahme in die Anstalt in Kortau. Dies ist dokumentiert in der Akte als 
Vorlage an den Herrn Landes-Hauptmann wegen Erteilung der Aufnahme - Einweisung für die geisteskranke inzwischen entlassene Käterfrau Aguste Hermanskiaus Göttkendorf als Freistellerin, III Verpflegungsklasse.

In der Akte geht es viel um die Kostenübernahme, Gewährung eines Freiplatzes und um Kleider. Im Sachenregister der Frauen wurde akribisch aufgelistet, was und wieviel die Patientin besaß und was ihr an Kleidungsstücken fehlte. Offenbar hatte die Patientin zu wenig Kleider und musste deswegen bei der Anstalt beantragt werden. Aus der Akte geht hervor, dass eine Freistelle beauftragt wurde, weil der Ehemann oder sonstigen Verwandten nicht in der Lage waren, die Kosten für die Unterbringung zu decken. 
Die Kranke ist voraussichtlich heilbar und falls sorgepflichtige Verwandte zur Tragung der Pflegekosten von 400 Mark jährlich oder eines Teils dessen nicht imstande sind, was ich genau festzustellen ersuche, beantrage ich eine Freistelle.“ 

Die Diagnose lautete auf Schizophrenie. Auguste wurde in dieser Zeit noch als „wahrscheinlich heilbar“ eingeschätzt. Sie ist aus der Anstalt mehrmals nach Hause entlassen und wieder aufgenommen worden. Mindestens einmal im Jahr hatte sie Kontakt zu ihrer ältesten Tochter, die sie in der Anstalt besuchte. Den Kontakt zum Ehemann habe sie nicht zugelassen. Vor Männern habe sie Angst gezeigt. In der Anstalt beschäftigte sie sich viel mit Handarbeiten.

Ab dem 12. August 1912 ist eingetragen, dass die Patientin 
vielmehr als unheilbar und gemeingefährlich zu erachten [sei]“. 
Am 23. März 1935 beantragte der Ehemann mit Hilfe eines Rechtsanwalts die Übertragung des Grundstücks auf seine Tochter Maria. Dafür war die Zustimmung der Auguste notwendig. Da sie als geschäftsunfähig galt, wurde ein Pfleger bestellt, die diese Sache regelte. Die Begründung lautete: 
...die Verständigung mit ihr nicht möglich. Mit deutschem Gruß!“ 

In der Akte ist folgendes dokumentiert:

Am  01. April 1938 wurde Auguste Hermannski von Kortau  wegen einer Lungenentzündung in die erbbiologische Abteilung der Heilstätte St. Andreasberg in Wormditt verlegt.
Am 13. April 1938 wurde notiert: ,,Beschäftigt sich müßig, versorgt sich selbst. Ruhig.“
15. August 1941: ,,Zustand unverändert. War bisher in der Schällküche. Wird in eine andere Anstalt verlegt“. Der Abmeldebogen der Polizeibehörde vermerkte: „von:… Heilstätte St. Andreasberg in Wormditt, nach:… in eine andere Heilstatt, Ort: z. Zt. unbekannt
16. August 1941: Deportation und Aufnahme in die LandesheilanstaltJerichow mit der ,,Gemeinnützigen Krankentransport GmbH in Berlin.“ Kostenträger war die Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten in Berlin.
22. November 1943: Transport aus „kriegswichtigen Gründen“ nach Uchtspringe.
24. Dezember 1943: Verlegung nach Magdeburg.
30. August 1944: Erneute Verlegung nach Uchtspringe.
Am 30. Oktober 1944 um 12.30 verstirbt Augusta dort im Gebäude 2.

In diesem Gebäude war auch die Kinderfachabteilung untergebracht, in der Kinder und Jugendliche systematisch zu Tode gebracht wurden. In diesem Gebäude wurden Frauen vereinzelt mit Morphium-Injektionen getötet.
Am 03. November 1944 fand um 14.30 die Beerdigung auf dem Friedhof des Klinikgeländes statt. Ihr Mann wurde per Telegramm benachrichtigt und reiste dazu an. Die Beerdigung wurde nach katholischer Tradition durchgeführt. Als Todesursache wurde Marasmus Paralyticus angegeben.

Anmerkung: Ab 1943 gab es keine Nachrichten mehr von Auguste. Man wusste aber von ihr. So erzählte der älteste Enkel, der damals 10 Jahre alt war, dass man die Patienten in den Westen -„ins Reich“- wie man sagte, abtransportiert habe. Er erinnerte sich daran, dass seine Mutter, die älteste Tochter von Auguste, in diesen Tagen beunruhigt war. Man hörte vom Hörensagen, dass „die psychisch Kranken ermordet werden“. 

Man habe dem nicht geglaubt. Im Jahr 1944 sei sein Opa, der Ehemann von Auguste, für ein paar Tage in das westliche Deutschland gefahren. Daran konnte sich der damals der 11-jährige noch gut erinnern und auch daran, dass er in der Nähe der Stadt Stendal war. 

Nach seiner Rückkehr habe seine Mutter in diesen Tagen sehr viel geweint. Der Ehemann Joachim war nach seiner Rückkehr sehr schweigsam und wollte nicht darüber sprechen. Nach 34 Jahren sah er seine verstorbene Ehefrau wieder und nahm an ihrer Beerdigung teil. Er nahm ein paar persönliche Sachen mit, unter anderem von Auguste selbstgestrickte Handschuhe (verschollen), Todesurkunde (nicht mehr auffindbar) und das mit sichtbaren starken Gebrauchsspuren behaftetes Gebetsbüchlein: „Trostquelle für leidgeprüfte Seelen“.

Auf der ersten Seite stand handschriftlich: „Ejefrau (sic!) Auguste Hermanski aus Göttkendorf.“

Text: Lydia Lonski

Orte der Biografie

Geburtsort: Gutkowo

11-041 Gutkowo
Polen

Sterbeort: Uchtspringe

39576 Stendal
Deutschland

Kortowo
Polen

Weitere Orte: Wormditt

14-510 Orneta
Polen

Hauptaufenthaltsort: Gutkowo

11-041 Gutkowo
Polen

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