Wilhelm Erich Przygodda
Arbeiter aus Essen (Nordrhein-Westfalen)
geb.
in
Schonnebeck
gest.
in
Bernburg
Arbeiter aus Essen (Nordrhein-Westfalen)
geb.
in
Schonnebeck
gest.
in
Bernburg
Mein Großonkel Wilhelm Erich Przygodda wurde am 02.12.1907 als 1. Kind von Friedrich Wilhelm Przygodda und seiner Ehefrau Auguste Ottilie geb. Rafalczyk, verwitwete Ostrowski, in Schonnebeck geboren. Am 10.02.1941 wurde er als T4-Euthanasie-Opfer in Bernburg ermordet.
Nach dem Tod meines Vaters im Jahre 2020 fing ich an, lnteresse an Familienforschung zu finden. Durch einen Zufall erfuhr ich dadurch, dass ich einen Großonkel namens Wilhelm Erich Przygodda hatte. Mein Großvater sowie auch seine Geschwister hatten nie über ihren Bruder gesprochen. lch war so schockiert, also fing ich an zu recherchieren. lch ließ mir aus dem Bundesarchiv Berlin seine Krankenakte zusenden, um mehr von ihm zu erfahren, da es leider keine Überlebenden mehr gibt, die mir Auskunft über ihn erteilen können. Also versuche ich nun - anhand der Krankenakte - eine Opferbiographie über ihn zu schreiben. Die Krankenakte spiegelt jedoch nur alles aus Tätersicht wieder ....
Die Patienten wurden in der Akte mit erniedrigenden Worten beschrieben. Es waren keine Menschen für sie, sondern nur lebensunwerte Wesen.
Wilhelm Erich wuchs mit noch 2 Geschwistern in Essen auf. Er hatte auch noch 3 Halbgeschwister aus der 1. Ehe seiner Mutter. Sein Vater war Bergmann. Seine Mutter starb am 12.09.1919 im Wochenbett, als er gerade mal 11 Jahre alt war. Nach eigenen Angaben war es als kleines Kind ruhig, mit 6 Jahren sehr lebhaft. Er war ein guter Volksschüler. Später hat er dann öfters die Schule geschwänzt, da sie ihm zu langweilig war. Er hat sich auch über die Mitschüler geärgert, die von ihren Müttern abgeholt wurden. Auch er hat danach den Drang verspürt, aber auf ihn wartete niemand. Lt. Krankenakte verbrachte er in der Jugendzeit einige Wochen im Krankenhaus wegen einer Gehirnhautentzündung. Später arbeitete er 9 Monate im Bergbau. Bei seinem Erholungsaufenthalt auf dem Land hat er Gefallen an der Landwirtschaft gefunden. Er hat es dann vorgezogen, das Melken zu erlernen und ist als landwirtschaftlicher Wanderarbeiter durch Deutschland gezogen. Dabei ist er bis nach Stendal gekommen. Er arbeitete hier in der Ziegelei Jaenicke. Wie lange er dort war wird sich 90 Jahre später nicht mehr feststellen lassen. Ob dort auf dem landwirtschaftlichen Gut der Familie etwas vorgefallen ist oder ob er entlassen wurde - jedenfalls hat er mit dem Verlassen von Stendal sein Wanderleben aufgegeben und ist zu Fuß die immerhin knapp 400 km nach Essen zurückgelaufen. Vor Ostern 1930 kam er zerlumpt und ausgehungert zu seinem Vater zurück, der damals auf der Altenessener Str. 611 in Altenessen wohnte. Lt. Krankenakte war er zunächst sehr lebhaft, dann auffallend still und grübelte. Er wirkte durcheinander.
Daraufhin kam er 1930 in die Nervenklinik Essen; Wilhelm Erich wurde wegen Pflegebedürftigkeit u. a. aufgrund von Halluzinationen, Wahnideen und Unruhe zum eigenen Schutz und zum Schutz seiner Umgebung (lt. Krankenakte) am 22. April 1931 in die Rhein. Prov. Heil-und Pflegeanstalt zu Grafenberg aufgenommen. Am 19. Mai 1931 wurde er in die Heilanstalt Bedburg-Hau mit der Diagnose Schizophrenie überführt. Dort verbrachte er viele Jahre. Beschäftigt wurde er als Feldarbeiter in der Doppelkolonne, in der Kartonage und in der Mattenflechterei. Er arbeitete (lt.Krankenakte) fleißig. lmmer wieder drängte er auf Entlassung, einEntweichungsversuch scheiterte. Er fühlte sich zurückgestellt, war nicht zufrieden mit seiner Tätigkeit, mit der Umgebung und mit der Nahrung in der Heilanstalt. Sein Aufenthalt wurde jedoch immer wieder verlängert, da sich im Laufe der Zeit sein Zustand stets verschlechterte. Anfangs, so mein Eindruck, beantwortete er die Fragen der Pfleger relativ normal. Später aber änderte sich sein Verhalten sehr.
Wie sah die Behandlung in der Heilanstalt aus? Hier übersteht nichts in der Akte. Dies und der lange Aufenthalt von über 5 Jahren waren irgendwann sein Todesurteil. Er wurde von der Euthanasie erfasst. Am 09. März 1940 überführte man ihn dann in die Heilanstalt Altscherbitz bei Schkeuditz im Osten der Stadt Leipzig. Dort verblieb er bis zum 10. Febr. 1941. An diesem Tag wurde er nach Bernburg deportiert. Am selben Tag mit weiteren 52 Männern und Frauen ermordet, endete sein Schicksal im Alter von nur 33 Jahren. Für mich ist es einfach nicht zu ertragen, dass Wilhelm Erich - wie so viele weitere Menschen - sterben mussten, da sie von den Nazis als erbkrank bezeichnet wurden. Sein Schicksal macht mich betroffen, traurig und wütend ....
lch möchte, dass er nicht nur eine Nummer in der Akte bleibt. Er hat einen Namen:
WILHELM ERICH PRZYGODDA!
lch kannte Wilhelm Erich nicht, es existiert auch kein Bild von ihm. Aber ich habe ihn tief in mein Herz geschlossen! Er ist Teil meiner Familiengeschichte, einer traurigen und grausamen Familiengeschichte! Nach so vielen Jahren ist es an der Zeit, dass wir endlich reden! lch möchte, dass auch andere Menschen von seinem Schicksal erfahren!
Wir alle, müssen alles dafür tun, dass sich diese schreckliche Zeit niemals wiederholt!
recherchiert von: Jutta Papakonstantinou, Xanten
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