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Historischer Ort: Denkmal der Grauen Busse, Porträt 8
Opferbiografie
Maria Kraft
19111940

Maria Kraft
aus Weingarten (Baden-Württemberg)

geb. 05.11.1911 in Weingarten (Baden-Württemberg)
gst. 05.12.1940 in Grafeneck (Baden-Württemberg)

Von Paul-Otto Schmidt-Michel

Maria Kraft1 , am 5.11.1911 in Weingarten geboren, wurde am 27.11.1933 in die Heilanstalt Weißenau aufgenommen. Ihre Mutter bringt sie zur Behandlung, weil sie immer wieder Erregungszustände hat.

  1. Bundesarchiv, Bestand R 179, Nr. 24507, 14 Seiten, diverse Handschriften und z.T. Maschinenschrift.
Biografie erstellt am 07.05.2018, letzte Aktualisierung: 31.05.2018
"Versetzung" von Patienten

"Durch Bekannte habe ich erfahren, dass viele Patienten der Heilanstalt Weißenau in andere Anstalten versetzt werden. Daher möchte ich gebeten haben, meine Tochter Maria Kraft in der Weißenau zu belassen..."

Brief der Mutter von Maria Kraft an die Anstaltsleitung vom 2. August 1940.

Im Aufnahmebefund heißt es: „Nur die allernotwendigsten Fragen über Name der Eltern und Geschwister werden richtig beantwortet“. Ansonsten antwortet sie nur mit „ja“ und „nein“. Es wird in den Akten eine steife und „geschraubte“ Körperhaltung beschrieben, die als „Katalepsie“ gedeutet wird. Maria Kraft bleibt zunächst für sechs Jahre in der Anstalt. Ihr Verhalten auf den wechselnden Stationen bleibt über Jahre konstant: „Geht mit anderen Kranken Arm in Arm spazieren“, „arbeitet nichts“, sie ist „anschmiegsam und liebesbedürftig“, „hat keine Beziehung zur Umgebung“, sie zeige „kindliches Verhalten“, „in Kleidung und Körperpflege in Ordnung“. Nach dreijährigem Aufenthalt wird erstmals ein „Erregungszustand“ beschrieben (Werfen mit Gegenständen), woraufhin sie in „Badebehandlung“ kommt, 1938 wird nochmals ein „Wutausbruch“ beschrieben. Regelmäßige Besuche ihrer Mutter und Großmutter werden erwähnt (ihr Vater war schon vor ihrer Aufnahme verstorben, er war Finanzbeamter in Weingarten gewesen), sie bringen auch Nahrungspäckchen mit. Im Januar 1937 wird notiert: „Darf alle paar Wochen mit der Oberpflegerin zu ihren Eltern nach Weingarten, freut sich darüber, hat aber nie Verlangen, in der Familie bleiben zu dürfen und kehrt abends willig in die Anstalt zurück“.

Am 7.9.1939 findet sich dann eine deutliche Unmutsäußerung eines eintragenden Arztes: „Wegen Benötigung ihres Platzes und Unverständigkeit der Mutter, die stets meint, man kümmere sich nicht genügend um ihre Tochter, und die sich deshalb mit Briefen an Mitkranke wendet, verlegt nach Abt.F“. Daraufhin holt ihre Mutter sie am 18.10.1939 nach Haus, sie wird „versuchsweise entlassen“. Nach zwei Wochen bringt die Mutter sie wieder in die Anstalt, sie habe wieder Erregungszustände gehabt und die „Kücheneinrichtung demoliert“. Ab diesem Zeitpunkt gibt es kaum mehr Einträge in der Akte, sie bleibt zurückgezogen, „für sich“, spricht nicht, so der letzte Eintrag am 28.8.1940.

Der Akte von Maria Kraft liegt ein Brief der Mutter an die Direktion der Heilanstalt Weißenau bei, datiert vom 2.8.1940. Der Brief, unterzeichnet mit Josefine Kraft, Finanzbeamtenwitwe, ist nur zur Hälfte leserlich (Wasserschäden). In der ersten Hälfte schreibt sie: „Durch Bekannte habe ich erfahren, dass viele Patienten der Heilanstalt Weißenau in andere Anstalten versetzt werden. Daher möchte ich gebeten haben, meine Tochter Maria Kraft in der Weißenau zu belassen ...“

Maria Kraft wird am 5.12.1940 mit 80 weiteren Patientinnen und Patienten nach Grafeneck transportiert und ermordet.

Assoziationen

Assoziationen
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Alle Opfer der NS-"Euthanasie"-Verbrechen haben ihre Individualität. Manche wurden jedoch aus ähnlichen Motiven verfolgt, einige teilten zum Beispiel Gewaltererfahrungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen. Andere wiederum wurden doppelt sigmatisiert: Weil sie als psychisch krank und behindert galten und als homosexuell und jüdisch definiert wurden.
Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Sie ermöglichen es auch, geographische Beziehungen in unserer Datenbank zu recherchieren. Sie können also erforschen, wer am selben Ort oder Region lebte, wer in der selben Anstalt lebte und ermordet wurde.

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