
Irmfried Eberl
Arzt, Massenmörder aus Berlin (katholisch)
Irmfried Eberl wurde am 8. September 1910 in Bregenz (Österreich) geboren. Sein Elternhaus war streng national orientiert und sein Vater war wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung aus dem österreichischen Staatsdienst entlassen worden. Seine Mutter war Funktionärin in der Großdeutschen Partei. Die Tiefe der Überzeugung zeigt sich daran, dass alle drei Söhne (neben Irmfried noch Harald und Ekhard) entsprechende politische Funktionen ausüben werden.
Am Gymnasium in Bregenz galt Irmfried Eberl als Musterschüler. Hier macht er 1928 das Abitur und begann dann mit dem Studium der Medizin in Innsbruck. Bereits im ersten Semester wurde er Mitglied der Burschenschaft „Germania“. Im Archiv der Universität Innsbruck lässt sich sein Weg anhand der Angaben zur Volkszugehörigkeit diesen Jahren nachvollziehen – vom Österreicher wird er zum Deutsch-Österreicher, zum Deutschen und schließlich zum „deutscharischen“ Studenten. Ende 1931 wurde er Mitglied der NSDAP.

Nach dem Studium arbeitete er kurze Zeit in Wien und Grimmenstein. Sein Vertrag wurde wegen seiner politischen Orientierung nicht verlängert. Weil er keine Chancen mehr in Österreich für sich sah, ging er Anfang 1936 nach Deutschland.
Anfangs war er wiederum nur kurze Zeit am Hygienemuseum in Dresden tätig. Danach ging er nach Dessau zum dortigen Amt für Volkswohlfahrt und an das Krankenhaus Dessau. Ab Sommer 1937 war er in Berlin tätig, zuerst am Sanatorium Birkenhaag in Lichtenrade und dann ab Oktober 1937 als wissenschaftliche Hilfskraft beim Hauptgesundheitsamt Berlin.
In Berlin lernte er Ruth Rehm kennen, die er etwas später auch heiratete. Sie war unter anderem bei der DAF in Berlin tätig und eine überzeugte Nationalsozialistin. Durch ihre Arbeit mit der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink hatte sie gute Kontakte in die Führungsebene der NSDAP.
Ab September 1939 war er dann für den Reichsärzteführer Leonardo Conti tätig. Nach einer kurzen Bedenkzeit entschied er sich, bei der Tötung von Patienten mitzuwirken. Er nahm auch an der ersten so genannten Probevergasung von Patienten in Brandenburg teil. Ab Februar 1940 begann seine Arbeit als Leiter der Tötungsanstalt Brandenburg. Angestellt wurde er bei der „Gemeinnützigen Stiftung für Anstaltspflege“ in Berlin.

Die Tötungen mittels Gas nahm er immer wieder selbst vor, denn er hielt sich streng an die Regel, dass nur Ärzte den Gashahn bedienen dürften. In einer späteren Aussage seines Stellvertreters, Aquilin Ullrich, hieß es: „…betrachtete dies als eine Verantwortung und hat sich nicht um diese Verantwortung gedrückt.“
An anderer Stelle kümmerte er sich darum, dass die Angehörigen erfolgreich getäuscht werden konnten. So kritisierte er immer wieder die Wahl falscher, weil wenig glaubwürdiger, Todesursachen.
Im Herbst 1940 wechselte er dann als Leiter an die Tötungsanstalt Bernburg, wo im November des Jahres die Tötungen begannen. Als Leiter dieser Institution hatte er die Aufsicht über ca. 100 Mitarbeiter. Auch hier beschäftigte er sich mit Fragen der Geheimhaltung. Andererseits ging er ziemlich offen mit seiner Tätigkeit um und unterschrieb sehr häufig mit seinem Namen, was nach dem Krieg seine Verhaftung deutlich erleichterte. Ab August 1941 wurde die zentrale Phase der Patiententötung beendet. Hinter den Kulissen ging das Töten bis zum Kriegsende weiter. Eine besondere Tötungsaktion war dann die Aktion „14f13“, bei der Häftlinge aus Konzentrationslagern ermordet wurden.
Ab Anfang 1942 wurde Eberl für neue Aufgaben in den besetzten Ostgebieten tätig. Nach einer übergangsmäßigen Tätigkeit in Minsk baute er ab dem Frühsommer 1942 das Vernichtungslager Treblinka auf. Im Rahmen der „Aktion Reinhard“ ist dies eines von drei Vernichtungslagern. Im Juli 1942 war das Lager fertig und am 23. Juli 1942 kamen die ersten Transporte an.
Bereits im August 1942 wurde Eberl abgelöst, weil er es nicht schaffte, die geforderten Zahlen an Tötungen durchzusetzen. Spätestens Ende August war er nicht mehr in Treblinka tätig.
Danach kehrte er wieder nach Bernburg zurück. Die Tötungsanstalt wurde etwas später im Frühjahr 1943 aufgelöst, wobei der Bürobetrieb noch bis Juli 1943 weiterging.
Im Januar 1944 wurde er dann eingezogen und arbeitete als Arzt in einem Lazarett. Ab Anfang 1945 war er im „Fronteinsatz“ an der Westfront und geriet im April 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Auch hier ist er als Arzt tätig gewesen und wurde bereits im Juli 1945 entlassen. In der Nähe von Blaubeuren fand er dann ein neues Heim, wo er versuchte, als Arzt tätig zu werden. Die notwendigen Bescheinigungen dafür bekam er nicht, weil Zweifel an seinem geschilderten Lebenslauf bestanden. Erst zu Beginn des Jahres 1948 konnte er nach einigen Hinweisen festgenommen werden. In der Untersuchungshaft setzte er dann am 16. Februar 1948 seinem Leben ein Ende.
Text: Tom Werner
Dr. Sara Berger: Die Vernichtungslager der "Aktion Reinhardt": neue Perspektiven auf die Verfolgung der Juden. Simon Wiesenthal Lecture. Datum: 7. November 2013
Assoziationen
Assoziative Beziehungen und Verknüpfungen
Alle Opfer der NS-"Euthanasie"-Verbrechen haben ihre Individualität. Manche wurden jedoch aus ähnlichen Motiven verfolgt, einige teilten zum Beispiel Gewaltererfahrungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen. Andere wiederum wurden doppelt sigmatisiert: Weil sie als psychisch krank und behindert galten und als homosexuell und jüdisch definiert wurden.
Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Sie ermöglichen es auch, geographische Beziehungen in unserer Datenbank zu recherchieren. Sie können also erforschen, wer am selben Ort oder Region lebte, wer in der selben Anstalt lebte und ermordet wurde.
Assoziative Verbindungen
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- T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel (Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg/Havel, Brandenburg/Havel)
- Tiergartenstraße 4 (Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde, Berlin)
- Stolperstein für Maria Weber (Neustrelitz)
Mit ‚Irmfried Eberl‘ verknüpfte Biografien
Täterbiografien
Ausgewählte Literatur zum Thema
Betriebsausflug in die Gaskammer
2009, Gaienhofen
Autor | Bernhard Selting |
Experten der Vernichtung
2013, Hamburg
Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka
Autor | Sara Berger |
ISBN | 978-3-86854-268-4 |
Irmfried Eberl
2010, Frankfurt/Main
"Euthanasie"-Arzt und Kommandant von Treblinka
Autor | Michael Grabher |
ISBN | 978-3-631-54855-4 |
Was sie taten – Was sie wurden
2004, Frankfurt/Main
Ärzte, Juristen und andere Beteiligte am Kranken- oder Judenmord. 12. Auflage, Fischer Verlag.
Autor | Ernst Klee |
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