
Wolfgang Götz Zerban
aus Berlin
Von Benjamin Andrae
Wolfgang Götz Zerban wurde am 26.01.1941 in Berlin geboren. Seine Eltern waren Max Zerban, geboren 1905, Oberregierungsrat im Reichsarbeitsministerium und Helene Zerban, geboren 1904. Es gab insgesamt fünf weitere Geschwister: Marianne (geboren 1940), Werner (geboren 1942, gestorben 1944), Heide (geboren 1944), Irene (geboren und gestorben 1945) und Hans-Hartmut (geboren 1953, gestorben 2017).
Wolfgang Götz Zerban wurde mit dem Down Syndrom geboren und wuchs die ersten beiden Lebensjahre im Elternhaus der Familie in der Salzbrunner Str. 12 in Berlin Schmargendorf auf. Im Sommer wurde die Mutter mit ihren drei Kindern nach Tolkemit (Landkreis Elbing Westpreussen) evakuiert. Der Vater blieb aufgrund seiner Stellung in Berlin und besuchte nur zeitweilig seine Familie. Mit dem vierten Kind schwanger ersuchte Wolfgangs Mutter im Herbst 1943 um seine Aufnahme in einer Anstalt, da sie offenkundig mit der Betreuung des Kindes in der prekären Situation und unsicheren Wohnsituation überfordert war und sich um das Wohl des ungeborenen Geschwisterkindes sorgte. Wolfgang kam in die sog. „Kinderfachabteilung“ der Heil- und Pflegeanstalt Konradstein in Preußisch Stargard. Wolfgang erhielt die Kranken- und Verwaltungsakte mit der Nummer 5981.
Der stellvertretende Anstaltsdirektor Hans Arnold Schmidt ist darin als behandelnder Arzt belegt. Die Krankenakte beschreibt das zweijährige Kind als „boshaft“, „widerspenstig“ und „zerstörungswütig“. Das Martyrium des Kindes mit mehreren Infekten wird kühl-sachlich beschrieben, Hinweise auf eine medizinische Behandlung oder Linderung von Beschwerden finden sich hingegen nicht. In einem Bericht an den „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ vom 31.3.1944 Anstaltsdirektors konstatierte der Anstaltsdirektor Dr. Waldemar Siemens dabei eine „Erziehungsunfähigkeit“ und schließt lapidar mit „Diagnose: Mongolismus, Prognose: Aussichtslos.“ In der Unterabteilung IIb der Kanzlei des Führers wurden die Meldebögen von Hans Hefelmann oder seinem Stellvertreter Richard von Hegener bearbeitet und dann an die drei vom Reichsausschuss bestellten Gutachter Professor Hans Heinze, Dr. Ernst Wentzler und Professor Werner Catel weitergegeben, die jeden einzelnen Fall aufgrund der Meldebögen zu entscheiden hatten. Wolfgang Zerban wurde mit dem Merkzeichen „+“ als Euthanasiefall zur „Behandlung“ und damit Ermordung „freigegeben“.
“. Im Juni 1944 spricht die Krankenakte von „zunehmender Verschlechterung des Gesamtzustandes, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust.“ Die Sterbeurkunde weist den 23.07.1944 als Todesdatum auf. Als Todesursache findet sich in der Krankenakte Drüsentuberkulose. Wolfgang Zerban wurde mit der laufenden Nummer 7054 auf dem Anstaltsfriedhof im Grab 138 bestattet.
Die über Monate penibel dokumentierten Fieberkurven mit zwei Messungen für jeden einzelnen Tag enden zwei Tage vor dem Todesdatum, als das Blatt voll ist, so als sei man sich einig gewesen, dass es aufgrund des unausweichlichen vorbestimmten grausamen Endes nicht erforderlich sei, ein neues Formblatt in der Akte anzulegen. Hans Arnold Schmidt arbeitete nach dem Krieg bis 1963 in Hamburg als Amtsarzt. Einer Bestrafung für die von ihm verübten Gräuel entging er aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes. Er starb im Jahr 1973.
Assoziationen
Assoziative Beziehungen und Verknüpfungen
Alle Opfer der NS-"Euthanasie"-Verbrechen haben ihre Individualität. Manche wurden jedoch aus ähnlichen Motiven verfolgt, einige teilten zum Beispiel Gewaltererfahrungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen. Andere wiederum wurden doppelt sigmatisiert: Weil sie als psychisch krank und behindert galten und als homosexuell und jüdisch definiert wurden.
Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Sie ermöglichen es auch, geographische Beziehungen in unserer Datenbank zu recherchieren. Sie können also erforschen, wer am selben Ort oder Region lebte, wer in der selben Anstalt lebte und ermordet wurde.
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