Aufruf: Zwangssterilisierungen und "Euthanasie" waren massive Verletzungen der Menschenwürde und der Menschenrechte
In Bielefeld wird neuerlich debattiert, ob der Richard-Wilmanns-Weg in Bethel umbenannt werden soll, da Richard Wilmanns als Arzt in der Zeit des Nationalsozialismus viele Personen zwangssterilisiert hat, oft ohne deren Wissen (wie bei Dorothea Buck) oder gegen deren Willen.
Die Zwangssterilisierungen waren für die betroffenen Personen für ihre schulische und berufliche Zukunft, die Partner*innenwahl, die Familienplanung und das eigene Selbstverständnis eine massive Belastung und eine massive Verletzung ihrer Menschenwürde.
In Bethel wurden nachweisbar 1.590 Zwangssterilisationen durchgeführt.vgl. Schmuhl, Hans-Walter (2014): Gilead im Nationalsozialismus. In: Stockhecke, Kerstin/ Schmuhl, Hans-Walter (Hrsg.): Von Anfang an evangelisch. Geschichte des Krankenhauses Gilead in Bielefeld. Bielefeld, S. 311-334, hier S. 324
Dorothea Buck, die in Bethel zwangssterilisiert wurde, schildert in ihrem Text "Lebenslang als minderwertig abgestempelt", dass die Betroffenen und Angehörigen der Zwangssterilisierungen massiv darunter gelitten haben und die Überlebenden heute noch heute daran leiden. Mehrere Personen hatten sich wegen der angedrohten Zwangssterilisierung in Bethel das Leben genommen.vgl. Buck, Dorothea (2001): Lebenslang als minderwertig abgestempelt. In: Wolf, Bernward (Hrsg.): Lebenslang als minderwertig abgestempelt. Das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer von Zwangssterilisationen. Dokumente, Hintergründe, Fragen an gegenwärtiges Handeln, Bielefeld, S. 13-21. In diesem Buch und der Gedenk-Stele in Bethel ist noch von 1.176 zwangssterilisierten Personen die Rede. Zwei Personen sind an den Folgen der Operationen gestorben (vgl. Schmuhl 2014, S. 328). Die massiven und lebenslangen negativen Folgen von Zwangssterilisierungen werden auch im von Margret Hamm 2017 herausgegebenen Buch "Ausgegrenzt! Warum? Zwangssterilisierte und Geschädigte der NS-"Euthanasie" in der Bundesrepublik" eindrücklich deutlich.
Die Erfassung von als "erbkrank", als "behindert", als "nicht arbeitsfähig", als "Alkoholiker" oder "asozial" kategorisierten Personen, die Zwangssterilisierung von schätzungsweise mehr als 400.000 Personen in Deutschland und in von Deutschland besetzten Gebieten waren massivste Menschenrechtsverletzungen und stehen in engem Zusammenhang mit den Tötungen an Menschen, die als "krank" und "behindert" eingeordnet wurden, der so genannten "Euthanasie".
Alle Menschen haben die gleiche unveräußerliche Menschenwürde und dieselben unteilbaren Menschenrechte. Als Wissenschaftler*innen, Mitarbeitende in Institutionen und Vereinen sowie als Personen, die sich gegen Diskriminierung engagieren, fordern wir, dass die Würde der zwangssterilisierten Personen und ihrer Angehörigen geachtet wird und der besagte Weg in Bielefeld nicht weiterhin nach einem Täter benannt wird, der anderen Personen in Kooperation mit den dortigen Mediziner*innen, dem Pflegepersonal sowie der damaligen Leitung der Anstalt in den von Bodelschwinghschen Anstalten in der Zeit des Nationalsozialismus großes Leid zugefügt hat.
Es ist unseres Erachtens daher zwingend notwendig, den Richard-Wilmanns-Weg umzubenennen, da die jetzige Benennung eine fortgesetzte Kränkung und Verletzung der Opfer von Zwangssterilisation und ihrer Angehörigen ist.
Bielefeld/Frankfurt a.M./ Nieheim, den 21.07.2018
Margret Hamm, Arbeitsgemeinschaft Bund der "Euthanasie"-Geschädigten und Zwangssterilisierten
Prof. Dr. Benjamin Ortmeyer, ehemaliger Leiter der Forschungsstelle NS-Pädagogik
Prof. Dr. Claus Melter FH Bielefeld
Jörn Fries (Nieheim)
Entschieden gegen Rassismus und Diskriminierung – Bielefeld
Prof. Dr. Cornelia Giebeler, FH Bielefeld