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Historischer Ort: Fort VII, Aussenansicht
Fort VII
Muzeum Martyrologii Wielkopolan
Fort VII
Muzeum Martyrologii Wielkopolan

Fort VII (Muzeum Martyrologii Wielkopolan)
Täterort in Poznan

Das Fort VII war ein Teil der Wehranlagen, die rund um Posen in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet worden waren. Es sollte die Stadt vor einem Angriff von Armeen des Russischen Reiches aus dem Osten schützen. Im Laufe der Zeit verlor es seine Bedeutung als Wehranlage, war aber noch funktional, als die Wehrmacht Posen im September 1939 eroberte. Im Oktober 1939 wurde das erste Konzentrationslager im besetzten Polen im Fort VII eingerichtet und die erste Gaskammer auf dem Gebiet des Dritten Reiches gebaut.

TäterortDenkmal

AdresseAleja Polska
60591 PoznanRoutenplaner
LinksWebseite des MuseumsFort VII auf memorialmuseums
KontaktTel +48 61 848 31 38
E-Mail schreiben
ÖffnungszeitDienstag bis Samstag: 10.00 bis 17.00 Samstag und Sonntag: 10.00 bis 16.00
AngebotAusstellung, Führungen in polnischer Sprache

Hintergrund

Im „Warthegau“ gingen die Patientenmorde auf die lokale Initiative der Gauselbstverwaltung zurück. Innerhalb kurzer Zeit nach ihrer Etablierung baute die Gauselbstverwaltung eine Zweigstelle in Kościan etwas südlich von Posen auf, die sie Zentralstelle für Kranken-verlegungen nannte und entsandte Kommissionen aus Ärzten und Pflegern in die psychiatrischen Anstalten des Gaues. Dort wurden die Patienten registriert und nach einem bisher noch nicht klar erkennbaren Muster zwischen den Anstalten hin und her verlegt. In gewissen Abständen kam dann ein Sonderkommando unter dem Befehl des Kripobeamten Herbert Lange aus Posen und ermordete anhand der präparierten Listen die Patienten entweder durch Erschießungen oder mit Hilfe einer mobilen Gaskammer.

Aussenansicht des Fort VII, Aufnahme 2014.

Ohne Mitwirkung der Aktion T4 in Berlin

Die Annahme, daß die Patientenmorde im „Warthegau“ etwas mit der „Aktion T4“ zu tun habe ist falsch und gründet sich auf der wechselseitigen Projektion von Strukturen. In der Tat war die Zentralstelle für Krankenverlegungen im „Warthegau“ sehr ähnlich zu der Tarnbehörde „Gemeinnützige Krankentransport GmbH“, die im Altreich Patienten deportierte. Eine organisatorische Verknüpfung dieser beiden fast zeitgleich operierenden Strukturen gab es dennoch nicht. Auch die Ärztekommissionen in den Anstalten existierten im Altreich, sie arbeiteten aber nach völlig anderen Vorgaben: Ging es dort um die Selektion vor allem entlang der Kriterien „arbeitsfähig“ und „heilbar“ bzw. „bildungsfähig“ bei Kindern, so erfassten die registrierenden Ärzte im „Warthegau“ alle Patienten und drangen auf die Rück-führung Entlassener oder sich in Familienpflege befindlicher Kranker. Einzig deutsche Patienten wurden meist vorläufig von der Vernichtung zurückgestellt – genau spiegelbildlich verkehrt zur „Aktion T4“, bei der nichtdeutsche Patienten zur Vermeidung diplomatischer Verwicklungen tunlichst von der Vernichtung ausgenommen wurden.

Erste Patientenmorde im Dritten Reich

Schließlich war auch die Methode der Vernichtung in weiten Teilen eine andere. Zwar existierte in Posen im Fort VII, dem ersten Konzentrationslager im eroberten Polen, eine Gaskammer, aber diese wurde nur sehr kurze Zeit benutzt. Übereinstimmenden Berichten von Mitgliedern des im Fort VII und später im Vernichtungslager Kulmhof eingesetzten polnischen Arbeitskommandos und von Mitgliedern der Wachmannschaft zu Folge wurden psychisch Kranke in eine Kammer geführt und dort vergast. Höchstwahrscheinlich wurde dabei in Stahlflaschen gefülltes CO-Gas in die Gaskammer geleitet. Opfer waren Patienten der Anstalten Owinsk und Dziekanka. Volker Rieß erwähnt auch Prostituierte als mögliche Opfer. Die Vergasungen fanden bereits im Dezember 1939 ein Ende, als im „Altreich“ noch nicht mit der Vergasung begonnen wurde.

Historischer Ort: Fort VII, Gaskammer
Ehemalige Gaskammer im Fort VII, Aufnahme aus dem Jahr 2014.
Entwicklung der mobilen Gaskammern in Posen

Zu diesem Zeitpunktstand  der vom Sonderkommando Lange benutzte Gaswagen zum Einsatz bereit. Henryk Maliczak, ein Mitglied des polnischen Arbeitskommandos, sagte aus, daß der Wagen im Innenhof des Gestapohauptquartiers in Posen unter seiner Mitarbeit gefertigt wurde. Die Methode der Tötung durch Gaswägen, wie sie im besetzten Polen Anwendung fand, war ein Unterschied zur „Aktion T4“ und zeigt ein weiteres Mal die lokale Initiative. Erst nachdem diese Tötungen abgeschlossen waren, sandte die T4-Zentrale aus Berlin ihre Fragebögen zur Erfassung der (verbliebenen)? Patienten in den „Warthegau“. Daraus resultierten Transporte aus den wenigen noch aktiven Anstalten in das Innere des Reiches. Insgesamt wurden etwa 20.000 Patienten in den dem deutschen Reich eingegliederten Gebieten Polens vor allem mit Gaswägen ermordet. Diese Technik wurde dann in Kulmhof eingesetzt. In der Forschung gelten die Krankenmorde im Warthegau deshalb als Bindeglied zwischen Euthanasie und Holocaust.

Das Gestapo-Hauptquartier befand sich von 1939-1945 im ehemaligen Haus des Soldaten. Hier wurde im Innenhof der Gaswagen gebaut, mit dem Patienten im Warthegau ermordet wurden. Foto: Tiergarten4Association e.V.
Gedenken

Das Fort VII wurde auch nach 1945 für militärische Zwecke benutzt.

Im Jahr 1963 entstand die erste Gedenkstätte im Fort VII, die allerdings nur sehr eingeschränkt für die Öffentlichkeit zugänglich war. 1979  konnte das Muzeum Martyrologii Wielkopolan Fort VII (Museum des Märtyrertums der Großpolen Fort VII) eröffnet werden. Die Erinnerung an die Morde an psychiatrischen Patienten durch die Gaskammer war lange Zeit nicht präsent. 

Im Jahr 1994 wurde auf Initiatvie von Dr. Zdzislaw Jaroszewski, der Augenzeuge der Deportation von Patienten der Anstalt Owinsk in das Fort VII wurde, eine Gedenktafel enthüllt. Im Film "Sichten und Vernichten" aus dem Jahr 1995 berichtete Ernst Klee darüber. 

Im Jahr 2012 wurde eine Ausstellung über die die Morde an den Patienten im Fort VII eröffnet, an der wesentlich Artur Hojan (Tiergarten4Association) beteiligt war. 

Katarzyna Ojrzynska ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für ältere englische Literatur der Universität Łódż. Einer ihrer wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die critical disability studies.

Im Interview  in englischer Sprache mit Robert Parzer spricht die Kulturwissenschaftlerin Katarzyna Ojrzynska über die Erinnerung an die NS-"Euthanasie"-Verbrechen in Polen heute. Das Interview enstand während eines Forschungsaufenthaltes von Katarzyna Ojrzynska in Berlin an der Tiergarten4Association.

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As­so­zi­a­tive Beziehungen und Verknüpfungen

Viele Orte, an denen NS-"Euthanasie"-Verbrechen stattfanden,  haben mit einander zu tun. Patienten wurden zwischen Anstalten hin- und hergebracht, Täter arbeiteten an identischen Orten. Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Es ist daran gedacht, in Zukunft noch besser den Netzwerkcharakter der Aktion T4 abbilden zu können.

Assoziative Verbindungen

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Gedenkorttypen
Literaturverweise

Ausgewählte Literatur zum Thema

Die Anfänge der Vernichtung „lebensunwerten Lebens“
1995, Frankfurt/Main

in den Reichsgauen Danzig-Westpreußen und Wartheland 1939/40

AutorVolker Rieß

Medycyna w cieniu Nazismu
2015, Poznan

AutorMichał Musielak und Katarzyna B. Głodowska
ISBN978-83-7597-273-3

Pacjenci i pracownicy szpitali psychiatrycznych w Polsce zamordowani przez okupanta Hitlerowskiego
1989, Warschau

i los tych szpitali w latach 1939-1945. Vol. 1: Szpitale. Vol. 2: Imienne wykazy zamordowanych.

AutorZdzisław Jaroszewski (Hg.)

Techniki zagłady w nazistowskich akcjach eutanazyjnych na terenie Kraju Warty (1939-1940)
2012, Warschau

In: Zagłada chorych psychicznie: Pamięć i historia

AutorArtur Hojan und Cameron Munro
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