Städtische Nervenklinik für Kinder und Jugendliche Wiesengrund
Heil- und Pflegeanstalt in Berlin
Die Einrichtung der Irren- und Idiotenanstalt in den 1880 Jahren in Dalldorf war damals eine fortschrittliche Anlage für behinderte Menschen. Die 1887 erbauten Gebäude am Eichborndamm wurden als Dependancen für Patienten mit leichterem Krankheitsbild genutzt. Die Patienten standen im Kontakt mit der Dorfbevölkerung und halfen bei der Feldarbeit. Sie erfuhren damit eine Art von Resozialisierung, gemäß einer reformerischen Gesundheitspolitik.
Aber im Jahr 1942 wurde aus dem mittlerweile zur städtischen Nervenklinik für Kinder umfunktionierten Komplex die „Kinderfachabteilung Wiesengrund“, wo unter anderem genetische Untersuchungen und Versuche an Kindern durchgeführt wurden.
Heil- und PflegeanstaltMuseum | |
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Adresse | Eichborndamm 238 13437 BerlinRoutenplaner |
Links | Webseite des Museums ReinickendorfWebsite von Lutz Kaelber zur Kinderfachabteilung Wiesengrund |
Kontakt | Museum Reinickendorf Tel 030 - 404 40 62 E-Mail schreiben |
Öffnungszeit | Nach Vereinbarung |
Angebot | Ausstellung, Workshops, Führungen |
Insgesamt waren es 175 Kinder, genauer 66 Mädchen und 109 Jungen ab dem Alter von wenigen Monaten, die durch den "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden" in der "Städtischen Nervenklinik für Kinder", einer Unterabteilung der Wittenauer Heilstätten, eingewiesen wurden. NS-höriges medizinisches Personal hatte die Kinder als geistig und oder körperlich so stark behindert eingestuft, dass sie als
"Reichsausschusskinder" galten - "Ballastexistenzen", die laut NS-Ideologie eine nicht lebenswerte "Gefahr für den deutschen Volkskörper" darstellten.
Unter dem Deckmantel eines modernen kleinen Kinderkrankenhauses bzw. einer Kinderfachabteilung waren die Kinder der Willkür der angestellten Ärzte und Schwestern ausgeliefert. Man experimentierte an ihnen, unterzog sie etwa der äußerst schmerzhaften und risikoreichen Luft-Encephalographie, Fiebertherapien oder Versuchen zur Tuberkuloseimmunisierung. Ziel war dabei weniger der medizinische Erkenntnisgewinn als vielmehr der unauffällige Tod der Kinder. Schlecht geheizte Räumlichkeiten, Nahrungsentzug und Übermedikation taten ihr Übriges: Von den 175 Kindern, die zwischen 1942 und 1945 in der Nervenklinik Wiesengrund "behandelt" wurden, starben 81 einen qualvollen Tod. Noch nach dem Tode waren die Kleinen den Experimenten in der Pathologie schutzlos ausgeliefert. Was mit den Leichen der Kinder geschehen ist, ist bis heute unklar.
Juristische Aufarbeitung
Die Ärzte Dr. Dr. Ernst Hefter, Dr. Gertrud Reuter und Dr. Gerhard Kujath waren verantwortlich für die Kinderfachabteilung am Wiesengrund. Ernst Hefter wurde im Jahr 1945 von den Sowjets verhaftet und 1946 durch ein Sowjetisches Militärtribunal zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, 55 Sterilisationsgutachten verfasst zu haben und 30 Kinder ermordet zu haben. Hefter starb 1947 in der Justizvollzugsanstalt Bautzen.
In den 1960er Jahren führte die Staatsanwaltschaft in Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen Ernst Hefter und andere aufgrund einer Anzeige eines führeren Insassen des der Nervenklinik angeschlossenen Erziehungsheimes. Das Verfahren wurde eingestellt und betraf Dr. Gertrud Reuther nicht. Sie arbeitete bis 1975 in Essen als Neurologin und Psychiaterin und verstarb 1999. Dr. Gerhard Kujath wurde Leitender Arzt der Abteilung für psychogene Erkrankungen an der Kinderklinik der Freien Univeristät Berlin. Er starb 1978.1
Gedenken und Erinnerung
Die Verbrechen der "Kinder- und Jugendeuthanasie" wurden jahrzehntelang totgeschwiegen. Sie werden nun im Geschichtslabor des Museums Reinickendorf am Eichborndamm 238 aufgearbeitet. Die Patientender ehemaligen Kinderfachabteilung Wiesengrund bekommen wieder ein Gesicht. In vier Räumen im Untergeschoss können Besucher in einer kleinen Ausstellung Patientenakten einsehen, die rekonstruierten Schicksale der hier getöteten Kinder auf sich wirken lassen, Reaktionen der Eltern nachvollziehen und auch den weiteren Werdegang des medizinischen Personals der ehemaligen Kinderklinik verfolgen.
Orte Initiativen Gedenkstätten Biografien
Berlin
In Berlin wurden die NS-"Euthanasie"-Verbrechen vorbereitet und organisiert. Hier stand die Villa an der Tiergartenstraße 4, hier gab es große psychiatrische Einrichtungen am Rande der Stadt, wo Patienten getötet wurden oder von wo aus sie deportiert wurden.In Berlin gibt es auch eine Reihe von Initiative, die Forschungs-, Bildungs- und Gedenkarbeit leisten.
Dank einer Förderung der Berliner Landeszentrale für politische Bildung präsentieren wir Orte und Initiativen in Berlin, an denen NS-"Euthanasie"-Verbrechen stattfanden, wo Täter wohnten und Opfer lebten und ermordet wurden. Die Landeszentrale ermöglichte es uns, für Berlin eine Auswertung in einer hohen Detailstufe vorzunehmen.
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Assoziationen
Assoziative Beziehungen und Verknüpfungen
Viele Orte, an denen NS-"Euthanasie"-Verbrechen stattfanden, haben mit einander zu tun. Patienten wurden zwischen Anstalten hin- und hergebracht, Täter arbeiteten an identischen Orten. Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Es ist daran gedacht, in Zukunft noch besser den Netzwerkcharakter der Aktion T4 abbilden zu können.
Assoziative Verbindungen
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