
Städtische Heil- und Pflegeanstalt Herzberge (Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge)
Heil- und Pflegeanstalt in Berlin
Die Städtische Irrenanstalt zu Lichtenberg (Herzberge) wurde nach Plänen des Architekten Hermann Blankenstein errichtet. Sie diente als Ersatz- bzw. Ergänzungsbau der damaligen Dalldorfer Heil- und Pflegeanstalt, deren Kapazität bereits nach knapp zehn Jahren nicht mehr ausreichte. Die Neueröffnung erfolgte am 21. Juni 1893. Damit stand die II. Städtische Irrenanstalt zur Verfügung. Ihr folgte etwa 10 Jahre später die III. in Berlin-Buch.
Heil- und Pflegeanstalt | |
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Adresse | Herzbergstraße 79 10365 BerlinRoutenplaner |
Links | Archiv am KEH |
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Öffnungszeit | Öffnungszeiten des Archivs nach Vereinbarung |
Angebot | Archiv |
Die Anstalt erhielt 1925 den Namen Städtische Heil- und Pflegeanstalt Herzberge. 1930 schied der bisherige Leiter, Wilhelm Falkenberg, aus und damit veränderte sich die Ausrichtung der Arbeit. Nun traten die Interessen des einzelnen Patienten Stück für Stück zugunsten gesamtstaatlicher Interessen in den Hintergrund.
Der seit dem Jahr 1931 amtierende Direktor Kurt Hildebrandt hatte sich bereits mit Schriften wie „Norm und Entartung des Menschen“ sowie „Norm und Verfall des Staates“ einen Namen gemacht. Er sah im Nationalsozialismus die Erfüllung seines Traumes von einer rassehygienischen Politik. Damit gehört er zu einer großen Gruppe von Ärzten, die mit sozialdarwinistischen Vorstellungen den Boden für die Politik der Nationalsozialisten bereiteten. In seiner Amtszeit wurden sehr schnell alle jüdischen Ärzte entlassen.
In Herzberge war bereits 1911 die Städtische Beiratsstelle für Nerven- und Gemütskranke bereits gegründet worden, die in der Weimarer Republik für ganz Berlin zuständig war. Insofern hat es große Bedeutung, dass Kurt Hasse (Oberarzt in Herzberge) über einen Trinker bereits wie folgt urteilt: „die ihn zu einem minderwertigen Menschen stempelt.“ 1
Hasse war dann in der NS-Zeit in der Heil- und Pflegeanstalt Wittenau tätig, blieb aber noch einige Jahre Leiter der städtischen Beiratsstelle.
1937 wurden die Berliner Heil- und Pflegeanstalten Wittenau, Herzberge, Wuhlgarten und Buch zum Verbund der „Heil- und Pflegeanstalten der Reichshauptstadt Berlin“ zusammengefasst und Herzberge bekommt das Kürzel „Heilherz“.
Zwangssterilisationen
Viele Patienten aus Herzberge wurden ab 1934 zwangssterilisiert. Orte der Eingriffe waren das Oskar-Ziethen-Krankenhaus, das Städtische Rudolf-Virchow-Krankenhaus, die Brandenburgische Landesfrauenklinik Neukölln und das Horst-Wessel-Krankenhaus (Krankenhaus im Friedrichshain) Im Vergleich zu anderen Anstalten gab es die Besonderheit, dass ab 1941 eine Häufung der entsprechenden Anzeigen (Anträge auf Unfruchtbarmachung) zu verzeichnen ist.
Patientenmorde und Funktionsänderung der Anstalt
Zahlreiche Patienten wurden aus verschiedenen Berliner Anstalten nach Herzberge verlegt und auch von dort wieder in andere Einrichtungen gebracht. Die Patienten aus Herzberge, die während der Aktion T4 getötet wurden, waren zumeist erst in die Zwischenanstalt Neuruppin gebracht worden und von dort in die T4-Tötungsanstalten Bernburg und Brandenburg/Havel. Mindestens 91 Patienten wurden aus Herzberge nach Neuruppin und von dort weiter in die T4-Tötungsanstalt Hadamar deportiert.
Auch im Rahmen des dezentralen Krankenmordes ist diese Anstalt zu nennen. Mindestens in einem Fall wurde eine Patientin getötet, um an ihr eine seltene Krankheit zu erforschen. Daneben wurde an den hier lebenden Kranken Forschungen vorgenommen, weil die psychisch Kranken in der Sprache der so genannten Herrenmenschen „unwertes Leben waren, das nicht geschützt werden“ müsse.
Als 1940 und 1941 die meisten Patienten „verlegt“ worden waren, wurde die Anstalt umbenannt in Städtisches Krankenhaus Lichtenberg. Mit dem 30. Juni 1942 schied die Anstalt Herzberge aus dem Verbund der Heil- und Pflegeanstalten der Reichshauptstadt aus. Nun wurden auch Kriegsversehrte und Infektionskranke zur Behandlung hierher eingeliefert. Damit endet die Geschichte der Einrichtung, die bis dahin hier bestanden hat.
Gedenken
In den 1980er-Jahren begann Herbert G. Loos, selbt Arzt am Krankenhaus, mit der Erforschung der Geschichte der Anstalt auch im Nationalsozialismus. Er nahm an einer Tagung des Arbeitskreises zur Erforschung der NS-"Euthanasie" und Zwangssterilisation in Lobetal bei Bernau teil. Loos hielt ebenfalls ein Referat auf einer gemeinsamten Tagung der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik und der Klinik in Herzberge am 6. November 1989, die anläßlich des 50. Jahrestages der Aktion T4 ausgerichtet wurde.
Es gibt keine Gedenktafel oder -installation, die an die ermordeten Patienten der Anstalt Herzberge erinnert. Mehrere Tafeln informieren über die Geschichte des Krankenhauses, ohne die Patientenmorde explizit zu erwähnen. Einzig ein Befreiungsdenkmal aus DDR-Zeiten erinnert an die Zeit des Zweiten Weltkrieges.
Orte Initiativen Gedenkstätten Biografien
Berlin
In Berlin wurden die NS-"Euthanasie"-Verbrechen vorbereitet und organisiert. Hier stand die Villa an der Tiergartenstraße 4, hier gab es große psychiatrische Einrichtungen am Rande der Stadt, wo Patienten getötet wurden oder von wo aus sie deportiert wurden.In Berlin gibt es auch eine Reihe von Initiative, die Forschungs-, Bildungs- und Gedenkarbeit leisten.
Dank einer Förderung der Berliner Landeszentrale für politische Bildung präsentieren wir Orte und Initiativen in Berlin, an denen NS-"Euthanasie"-Verbrechen stattfanden, wo Täter wohnten und Opfer lebten und ermordet wurden. Die Landeszentrale ermöglichte es uns, für Berlin eine Auswertung in einer hohen Detailstufe vorzunehmen.
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Assoziationen
Assoziative Beziehungen und Verknüpfungen
Viele Orte, an denen NS-"Euthanasie"-Verbrechen stattfanden, haben mit einander zu tun. Patienten wurden zwischen Anstalten hin- und hergebracht, Täter arbeiteten an identischen Orten. Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Es ist daran gedacht, in Zukunft noch besser den Netzwerkcharakter der Aktion T4 abbilden zu können.
Assoziative Verbindungen
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Ausgewählte Literatur zum Thema
Herzberge
2014, Berlin
Die Geschichte des psychiatrischen Krankenhauses Berlin-Herzberge von 1893 bis 1993.
Autor | Herbert G. Loos |
ISBN | 978-3-95410-021-7 |