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Opferbiographie: Reinhold Bolze, Porträtfoto aus der Krankenakte
Victims biography
Reinhold Bolze
18721944

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Reinhold Bolze
Rentner from Hamburg (Hamburg)

b. 04/20/1872 in Hamburg (Hamburg)
d. 07/15/1944 in Starogard Gdański (Pomorskie)

»Bei diesem Wirrwarr wurde mein Vater ja auch heimatlos!«
Von Dietmar Schulze

Der aus Hamburg stammende Rentner Franz Otto Reinhold Bolze wurde nach den schweren Bombenangriffen im Juli/August 1943 nach Westpreußen evakuiert. Er kam beim Bauern Kurt Schulz in Buchwalde, Kreis Stuhm, unter. In der Nacht vom 1. zum 2. November 1943 erlitt der 71-jährige Bolze einen Tobsuchtsanfall, bei dem er seinen Wirt tätlich angriff.

Biography created on 12/11/2019, last update on 03/25/2020

Danach lief er aus dem Haus und betrat gewaltsam ein Nachbargrundstück, wo er drohte, die Scheune anzuzünden. Nach einer Rauferei mit dem Hofbesitzer wurde Bolze dem Wachtmeister der Gendarmerie Rose übergeben, der sofort einen schriftlichen Antrag auf Einweisung des Bolze in eine Heilanstalt stellte. Noch am gleichen Tag wurde Reinhold Bolze in die Heil- und Pflegeanstalt Konradstein eingewiesen.

Foto Reinhold Bolzes aus der Krankenakte. Das Foto wurde in der Anstalt Konradstein aufgenommen. Archiwum Państwowe Gdańsk, Oddział w Gdyni, 2830/1579.

Bei seiner Aufnahme verhielt sich der Patient ruhig, sprach aber kaum. Reinhold Bolze war zeitlich und örtlich desorientiert; auch wusste er nichts über die Kriegsgeschehnisse. Über den Vorfall mit seinem Quartiersgeber befragt, gab Bolze lediglich an, dass »er sich oft mit ihm geschlagen« habe, mehr wisse er nicht. Unter seinen Habseligkeiten befanden sich eine Taschenuhr und ein Ehering. Diese Wertgegenstände schickte die Anstaltsleitung am 3. November 1943 an die Tochter, die in Berlin lebte. Seine Tochter schrieb sofort nach Konradstein mit der Bitte um Auskunft über den Gesundheitszustand ihres Vaters und fragte nach den Gründen der Einlieferung in eine Heil- und Pflegeanstalt, da »seine Anfälle doch noch nie jemanden geschadet« hätten. Sie erhielt daraufhin die Mitteilung, dass aufgrund der »epileptischen Anfälle mit schweren Dämmerungszuständen« ihr Vater eine Gefahr für sich und seine Umgebung sei. Während seines Aufenthaltes in Konradstein wären bereits vier derartige Anfälle beobachtet worden.

Im weiteren Verlauf seines Aufenthaltes in Konradstein traten die Anfälle bis zu fünf mal im Monat auf. Reinhold Bolze war ein ruhiger Patient, der trotz seines Alters mit leichten Hausarbeiten beschäftigt werden konnte. Auch schrieb er »ziemlich geordnete Briefe«  an seine Angehörigen. Im Frühjahr 1944 trat jedoch eine Veränderung ein: Der am 20. April 1944 72 Jahre alt gewordene Patient war nun »stumpf und teilnahmslos«,  auch häuften sich die epileptischen Anfälle. Zwei Monate später traf ein Brief seines Schwiegersohnes an die Anstaltsleitung ein. Er habe schon dreimal an seinen Schwiegervater geschrieben, sei aber ohne Antwort geblieben, nun bitte er um Auskunft über dessen Gesundheitszustand. Mittlerweile war Reinhold Bolze »körperlich zunehmend schwach und hinfällig« geworden. Er konnte sich nicht mehr selbst versorgen und war bettlägerig. Am 15. Juli 1944 um 4 Uhr verstarb Reinhold Bolze. Als Todesursache wurde »hochgradige Altersschwäche« in den Totenschein eingetragen.

Die Anstaltsleitung informierte noch am gleichen Tag seine nächste Angehörige per Telegramm über den Todesfall. An der Beerdigung, die auf dem Konradsteiner Anstaltsfriedhof stattfand, konnte seine Tochter nicht teilnehmen. Sie schrieb aber noch einmal an die Heil- und Pflegeanstalt am 31. Juli 1944 und schilderte die Umstände, die für die Krampfanfälle des Vaters verantwortlich seien. So habe Reinhold Bolze im Alter von 58 Jahren einen schweren Verkehrsunfall erlitten und sei im Krankenhaus längere Zeit ohne Bewusstsein gewesen. Nach seiner Genesung seien die Anfälle aufgetreten. Leider könne sie keine Adresse des damals behandelnden Arztes beilegen, denn »wie Sie selber wissen, ging im vorigen Jahr zur selben Zeit inHamburg alles Kopf über«. Und weiter fügte sie hinzu: »Bei diesem Wirrwarr wurde mein Vater ja auch heimatlos!« A1

  1. rchiwum Państwowe Gdańsk, Oddział w Gdyni, 2830/1579.
Assoziationen

Assoziationen
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Alle Opfer der NS-"Euthanasie"-Verbrechen haben ihre Individualität. Manche wurden jedoch aus ähnlichen Motiven verfolgt, einige teilten zum Beispiel Gewaltererfahrungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen. Andere wiederum wurden doppelt sigmatisiert: Weil sie als psychisch krank und behindert galten und als homosexuell und jüdisch definiert wurden.
Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Sie ermöglichen es auch, geographische Beziehungen in unserer Datenbank zu recherchieren. Sie können also erforschen, wer am selben Ort oder Region lebte, wer in der selben Anstalt lebte und ermordet wurde.

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