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Opferbiographie: Theodor Julius Alexander Porwoll, Familienfoto 1926, Ausschnitt
Victims biography
Theodor Julius Alexander Porwoll
18871943

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Theodor Julius Alexander Porwoll
from Bremerhaven (Bremen) (Evangelical)

b. 04/24/1887 in Koźle (Opolskie)
d. 08/20/1943 in Eberswalde (Brandenburg)

Von Hildegard Koineke

Theodor Julius Alexander Porwoll wurde am 24.04.1887 in Geestendorf (heute: Bremerhaven) geboren. Seine Eltern, Theodor Porwoll und Bertha Musiol waren aus Cosel in Schlesien (Preussen, heute: Koźle) nach ihrer katholischen Heirat 1882 nach Geestendorf, seit 1866 ebenfalls Preussen, übergesiedelt, vermutlich im Zuge der Anwerbung von Arbeitskräften für den Ausbau des Hafens an der Geestemündung. Der Vater war Tischler, die erste Wohnung der Familie war in der Oststraße an der Rampe. Das Paar konvertierte und Theodor, ein älterer und ein jüngerer Bruder, sowie eine Schwester, wurden evangelisch getauft.

Biography created on 08/01/2018, last update on 09/07/2021
Selbstzeugnis

"Ich will nach Hause"1

  1. Aus dem Gutachten zur Zwangssterilisation

Später zog die Familie in die Buchtstraße 13. Hier unterhielt der Vater eine Tischlerei mit wechselnden Produkten, je nach Zeitumständen auch Särge und Kohlen.

 

Theodor Julius Alexander war behindert, ob von Geburt an oder durch eine Krankheit, ist nicht belegt. Ebenso unklar ist, ob es je eine Beschulung für ihn gegeben hat.

Opferbiographie: Theodor Julius Alexander Porwoll, Familienfoto 1926, Ausschnitt
Theodor Julius Alexander Porwoll
Opferbiographie: Theodor Julius Alexander Porwoll, Familienfoto 1926
Foto vom Hof der Buchtstraße 13 auf dem außer den Eltern einer der Brüder, sowie Nichten, Neffen und Nachbarn abgebildet sind; mittendrin Theodor, er ist 39 Jahre alt. Archiv Hildegard Koineke.

Aus dem Sommer 1926 existiert ein Foto vom Hof der Buchtstraße 13 auf dem außer den Eltern einer der Brüder, sowie Nichten, Neffen und Nachbarn abgebildet sind; mittendrin Theodor, er ist 39 Jahre alt.

Im Zeitraum 1926 bis 1934 ist Theodor Porwoll mehrmals in Heimen im Oldenburger Land (Ahlhorn, Wehnen) untergebracht, mit zeitweiser Rückkehr nach Hause und Mitarbeit in der Kohlenhandlung. 1927 stirbt der Vater, 1935 stirbt die Mutter.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ändert sich der Aufenthaltsort und die Aufmerksamkeit für Theodor Porwoll.  Am 8. April 1934 wird er in die Heil- und Pflegeanstalt Rotenburg/Han. (Innere Mission, heute Rotenburg an der Wümme) eingewiesen. Seine Behinderung wird mit „Schwachsinn“ dokumentiert, er ist 47 Jahre alt. 

Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses tritt am 1. Jan. 1934 in Kraft. Der Kreisarzt meldet alle erbkranken Patienten aus den Rotenburger Anstalten an das Regierungspräsidium in Stade. Die leitenden Ärzte, Dr. Bauerfeind und Dr. Rustige, fertigen am 7. August 1936 ein Gutachten über Theodor Porwoll für das Erbgesundheitsgericht Verden an. Nach dessen Urteil vom 10. September 1936 wird Theodor Porwoll in Rotenburg sterilisiert. Von Zustimmung oder möglichem Einspruch seines Pflegers/Vormunds, ist nichts bekannt. Zu diesem Zeitpunkt ist dies sein ältester Bruder, Schriftführer der evangelischen Marienkirche in der Mühlenstraße/ Wesermünde (heute: Bremerhaven). Da das Amtsgericht Wesermünde den Pfleger nicht ermitteln kann, entscheidet das Kreisjugendamt Rotenburg über die  Sterilisation am 5. September 1936, er ist 49 Jahre alt.

Im Stadtarchiv Bremerhaven findet sich das Gutachten zu diesem Vorgang, in dem Theodor Porwoll als „freundlich, absolut harmlos, nicht affektlos“ beschrieben wird. Nach seinen Wünschen gefragt, sagt er: „Ich will nach Hause.“ 

Die Rotenburger Anstalten erhalten am 24. September 1941 eine Aufforderung des Reichsverteidigungskommissars zur Räumung  für die Unterbringung bombengefährdeter Krankenhäuser und Ausweichslazarette. Ab 30. September bis 12. Oktober werden 236 Männer per Bahn in verschiedene Heilanstalten gebracht.100 in die Landesanstalt Eberswalde in Brandenburg. Unter diesen 100 Theodor Porwoll, er ist 54 Jahre alt.
 
Er hat wohl noch einige Zeit arbeiten dürfen. Im Standesamt Eberswalde geht am 20. August 1943 die Todesanzeige für Theodor Porwoll ein, mit der Todesursache „Idiotie/Herz- Kreislaufversagen“.
 Auf welche Weise die Rotenburger in Eberswalde zu Tode gekommen sind (Hunger oder Medikamente) ist nicht belegbar, weil das Archiv zerstört wurde.

Ob die Nachricht die Familie erreicht hat, ist nicht feststellbar. Die Adresse des Bruders ist mit Buchtstraße 13 angegeben. Das Haus wurde erst 1944 durch Bomben zerstört.

Aus einem Vorgang des Ausgleichsamtes Bremerhaven von 1964/1965 geht hervor, dass zur Feststellung des Kriegsschadens an Grund- und Betriebsvermögen Buchtstraße 13 bei den Rotenburger Anstalten  nach Theodor Porwoll und seinen Angehörigen geforscht wird.

Die Antwort aus Rotenburg: „Geschick unbekannt“, mit dem Zusatz, das Theodors Geschick mit der sogenannten Vernichtung lebensunwerten Lebens „nichts zu tun hatte“.


Bremen, im Juni 2018
 

Quellen und Literatur

 Stadtarchiv Bremerhaven und Kreisarchiv Landkreis Barnim/Brandenburg

Sabine Krause, Zwangssterilisation in Bremerhaven und Wesermünde 1934 – 1945. Bremerhavener Beiträge zur Stadtgeschichte I/1994

Gerda Engelbracht, Erinnerungsbuch für die Opfer der NS-Medizinverbrechen in Bremen, 2016

 

Assoziationen

Assoziationen
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Alle Opfer der NS-"Euthanasie"-Verbrechen haben ihre Individualität. Manche wurden jedoch aus ähnlichen Motiven verfolgt, einige teilten zum Beispiel Gewaltererfahrungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen. Andere wiederum wurden doppelt sigmatisiert: Weil sie als psychisch krank und behindert galten und als homosexuell und jüdisch definiert wurden.
Diesen Verknüpfungen versuchen wir mit "Assoziationen" nachzugehen. Sie ermöglichen es auch, geographische Beziehungen in unserer Datenbank zu recherchieren. Sie können also erforschen, wer am selben Ort oder Region lebte, wer in der selben Anstalt lebte und ermordet wurde.

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