Gertrud Ferchland

Diplom-Ingenieurin aus Wohnort von Gertrud Ferchland in Schneidemühl (Piła) (Wielkopolska)

geb. in Zürich, Geburtsort von Gertrud Ferchland
gest. in Meseritz (Międzyrzecz)

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Biografie

Martha Liska Gertrud Ferchland, genannt Trude, wurde am 30. Mai 1894 als uneheliches Kind in Zürich in der Schweiz geboren. Ihre Eltern waren Emil Ferchland, Student an der Technischen Hochschule Berlin, und Mathilde Auguste Caroline Johanna Böwe, Lehrerin in Berlin. Da die Schwangerschaft ungeplant war und im Deutschen Reich bis 1919 der Lehrerinnenzölibat galt, versuchten Trudes Eltern die Geburt am Arbeitsplatz und innerhalb der Familie zu verheimlichen – so kam es zu Zürich als Geburtsort. Zwar heirateten Trudes Eltern, Emil und Mathilde, ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter und zeugten in den Folgejahren drei weitere Kinder. Öffentlich machten sie ihre Ehe jedoch erst, als Trude bereits fünf Jahre alt war.

Bürgerliches Elternhaus und Lebensreform

1896 zog die Familie von Berlin nach Leipzig, wo Trudes Vater eine Stelle als Bauinspektor bekam, 1897 erfolgte ein Umzug nach Dresden, später nach Annaberg, dann wiederum Leipzig und 1907  wieder nach Dresden, wo Trudes Vater Regierungsbaumeister wurde. In den ersten Jahren wurde Trude von ihrer Mutter zuhause unterrichtet. Später ging sie vermutlich auf eine Höhere Mädchenschule. Dauerhaft ließ sich die Familie schließlich in der 1909 gegründeten Gartenstadt Hellerau bei Dresden nieder, einem Siedlungsprojekt der Lebensreform-Bewegung.

Architektin und Pädagogin

Wann genau Trude das Abitur ablegte, ist nicht bekannt. In den 1910er Jahren studierte sie an der Technischen Hochschule Charlottenburg in Berlin (Heute Technische Universität Berlin). Zu diesem Zeitpunkt war sie eine der wenigen dort immatrikulierten Frauen; ihr Studium schloss sie als Diplom-Ingenieurin ab. An der Technischen Hochschule lernte sie unter anderem die spätere Architektin Lotte Cohn kennen, mit der sie jahrzehntelang eine enge und intensive Freundschaft verband. Ab 1917 waren beide Frauen für einige Zeit als Architektinnen am Wiederaufbau Ostpreußens beteiligt. Die Freundschaft zwischen ihnen zerbrach allerdings, nachdem Lotte Cohn 1921 nach Palästina ausgewandert war und sich Trude offenbar der nationalsozialistischen Bewegung angenähert hatte.

Lehre im Dienst der Nationalsozialisten

Am 1.5.1933 trat Trude der NSDAP, am 1.9.1933 dem NSLB bei, dem Nationalsozialistischen Lehrerbund. Wie nahe sie der nationalsozialistischen Ideologie tatsächlich stand, lässt sich bislang nicht abschließend beurteilen. Allerdings hielt sie sich etwa 1935 in Berlin auf, um in einer Kommission im Auftrag des Reichserziehungsministeriums ein neues Lesebuch für die Volksschulen zu entwickeln.

Schneller Tod in Meseritz-Obrawalde

Am 12. Februar 1943 wurde Trude offenbar nach einem Nervenzusammenbruch im Stadt-Krankenhaus Schneidemühl aufgenommen, wo man ihr am 15. Februar 1943 Geisteskrankheit attestierte. Noch am selben Tag wurde die Verlegung in die Landesheil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde beantragt.

In dem dafür ausgestellten ärztlichen Attest sind keinerlei körperliche Krankheiten vermerkt. Allerdings findet sich der Hinweis auf einen Sanatoriums-Aufenthalt im Vorjahr aufgrund von Unruhezuständen. Der seelische Zustand wird unter anderem als unruhig und ängstlich beschrieben. In einem anderen Dokument ist von Depressionen im Klimakterium die Rede.

Am 16. Februar erfolgte die Aufnahme in Meseritz-Obrawalde. Ihr jüngerer Bruder Heinz, der kurze Zeit vorher als ihr Pfleger eingesetzt wurde, füllte die Anmeldeunterlagen aus. Der Direktor der Lehrerinnenbildungsanstalt Schneidemühl, Prof. Dr. Bergmann, versuchte sich für Trude zu verwenden und schrieb an den Chefarzt in Obrawalde. Bei der Kollegin, Professor Dipl. Ing. Gertrud Ferchland, handle es sich um einen „seit längeren leidenden, aber sehr sehr wertvollen Menschen“. Der Chefarzt möge Trude doch bitte „besonderes ärztliches Interesse zuwenden“ und ihm „bei Gelegenheit eine Mitteilung über das Ergehen von Frau Ferchland zukommen“ lassen. In einer handschriftlichen Antwort vom 20. Februar mit dem Vermerk „Eilt“ heißt es, im Zustand der Patientin sei „noch keine Besserung“ eingetreten. Am 21. Februar 1943, 5 Tage nach der Verlegung nach Obrawalde stirbt Trude, als Todesursache wird „Erschöpfung“ angegeben.

 

abgefasst von Johanna Herzing, 25.02.2017

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Foto von Gertrud Ferchland, 1920er Jahre.
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Opferbiographie: Gertrud Ferchland, Foto am Strand
Gertrud Ferchland beim Urlaub am Strand, 1930er Jahre.
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Opferbiographie: Gertrud Ferchland, Foto des Lehrerseminars in Schneidemuehl vor 1918
Fotografie des Lehrerseminars in Schneidemuehl, vor 1918. Postkarte

Ein Feature über Gertrud Ferchland wurde am 31. Mai 2016 im Deutschlandfunk ausgestrahlt. Julia Frick führte ein Interview mit der Autorin Johanna Herzig.

Zu Beginn der 1920er Jahren klagte Trude gegenüber ihrer Familie über die starke Belastung in ihrem Beruf und dachte offenbar darüber nach, ihre Stellung – mutmaßlich in einem Architektenbüro – aufzugeben. Im Herbst 1923 immatrikulierte sie sich an der Technischen Hochschule Dresden, Allgemeine Abteilung. Im Juli und August 1928 hielt sie sich für einen Studienaufenthalt und Sprachkurs in London auf. Nachdem sie bereits in den 1920er Jahren als Assistentin am Pädagogischen Institut der TH Dresden tätig war, wird sie in Vorlesungsverzeichnissen ab 1930 auch als Dozentin geführt. Möglicherweise war sie damit die erste planmäßige Dozentin am Pädagogischen Institut der TH Dresden. Zudem war Trude Mitglied des Diplom-Prüfungs-Ausschusses für Volksschullehrer. Eine Promotion Trudes ist durch entsprechende Akten nicht nachweisbar; allerdings berichtete Trude verschiedentlich in Briefen an ihre Familie von entsprechenden Arbeiten.

Ende 1936 zog Trude von Dresden nach Schneidemühl an die Ostgrenze des Deutschen Reichs (heute: Piła in Polen), wo sie verbeamtet und als Professorin an der örtlichen Lehrerinnenbildungsanstalt angestellt wurde. Sie war damit für die Ausbildung von Volksschullehrerinnen zuständig, hielt Vorlesungen und bot Übungen zur Methodik des Deutschunterrichts sowie Wahlfachseminare zu Mundarten und Isländergeschichten an.

Orte der Biografie

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