Kazimiera Garnuszewska (geb. Łappo)

Hausfrau aus Wejherowo (Pomorskie) (katholisch)

geb. in ?
gest. in Pirna

Opferbiographie: Kazimiera Garnuszewska, Foto aus Krankenakte

Biografie

Kazimiera Garnuszewska geb. Łappo, stammte aus Litauen. Sie wurde dort am 3. März 1894 geboren, wo genau, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Am 25. Oktober 1921 wurde sie erstmals in die Heil- und Pflegeanstalt Kocborowo aufgenommen. In kurzen Abständen folgten Entlassungen und Wiederaufnahmen, bis sie am 30. September 1925 zum letzten Mal nach Kocborowo kam. Sie sollte die Anstalt nur mehr aufgrund einer kurz dauernden Verlegung in die Anstalt Wejherowo und dann anlässlich ihrer Deportation nach Sachsen verlassen.

Von Robert Parzer

Einiges über ihr Leben wissen wir aus zwei von Kazimiera Garnuszewska selbst verfassten Lebensläufen, die ein Teil ihrer im Bundesarchiv in Berlin aufbewahrten
Krankenakte sind. Darin betont sie unter anderem die tiefe Verbundenheit zu ihrem Mann, einem Marineoffizier, und zu ihren Kindern, die sie »über das Leben hinaus« liebe. Jede Trennung von ihrer Familie bereite ihr Schmerzen und sie äußerte, dass sie »es außer Haus länger nicht mehr aushalte.«


Ihre Lebensgeschichte beginnt sie damit, dass sie als 18-Jährige aus Vilnius nach St. Petersburg kam. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges wurde Kazimiera Garnuszewska in einem Pensionat bei »guten Bekannten« untergebracht. Sie belegte einen Kurs in doppelter amerikanischer Buchhaltung, daneben studierte sie Politische Ökonomie und lernte die Handelskorrespondenz. Ihre Studien scheinen nur kurz gedauert zu haben, denn sie schreibt, dass sie »im Herbst begonnen, im Frühjahr nach mühevoller Arbeit« schon ihr Diplom mit guten Noten bekam.

Die Autorin beschreibt ihre Reise nach Warschau, wo sie Stenografie lernt und mit ihrem zukünftigen Mann zusammentrifft. Kurz darauf reisten sie nach Vilnius ab, wo Antoni Garnuszewski den Schwiegervater um die Hand der Tochter bittet. Eines Tages sei ein Brief von »Herr[n] Antoni«, wie sie ihren Mann nennt, gekommen,
in dem er sie aufforderte, »unverzüglich zum Zweck der Heirat« nach Helsingfors zu kommen. Nach der überhasteten Zeremonie richtete sich das Paar ein, wobei es zu ernsten Konflikten kam. Garnuszewska führt dies in ihrem Lebensrückblick auf die für sie ungewohnte körperliche Arbeit im Haushalt zurück.

Kurz darauf und in kurzem Abstand gebar sie zwei Kinder, am 1. Februar 1916 Mirosław Antoni, ein Jahr später, am 22. März 1917, Zbigniew Kazimierz. Die Arbeit in Helsingfors war letztlich fruchtlos, denn im Gefolge der Oktoberrevolution musste die junge Familie das Russische Reich verlassen und über Libau nach Warschau fliehen. Danach folgte ein Umzug an die Ostsee.


Der berufliche Aufstieg des Ehemannes verringerte den Druck auf Kazimiera Garnuszewska nicht. Sie beschreibt, dass der verstärkte berufliche Stress einen »Nachgeschmack« gehabt hätte: »Der Zustand meiner Nerven verschlimmerte sich immer mehr«, in lautstarken Auseinandersetzungen hätte sie ihren Mann dazu aufgefordert, sie zu töten, da sie keine Kraft mehr habe. In der Folge wurde sie zum ersten Mal in die Anstalt Konradstein gebracht. Den Aufenthalt dort beschreibt sie »dank der herzlichen Pflege des Herrn Direktors Kryzan und der Frau Doktor Morawska« als heilend, so dass sie schon nach kurzer Zeit wieder nach Hause
zurückkehren konnte.

Ihren zweiten Aufenthalt in Konradstein verdankte Kazimiera Garnuszewska der Schilderung im Lebenslauf zufolge einer klassischen Zeitungsente: Es habe Berichte
gegeben, dass ihr Mann ertrunken sei. Daraufhin »habe ich es mir zum Ziel [gesetzt], mir das Leben zu nehmen«, wie sie schreibt.

Ein Eintrag vom 1. Juni 1935 in ihre Krankenakte erzählt von einem mystischen Erleben Frau Garnuszewskas: In der Anstaltskirche habe sie Stimmen gehört, die einem Kind, das wie das Jesuskind gewesen sei, entstammt seien. Dieses Kind habe Kazimiera Garnuszewska Milch angeboten, sie sei darüber verwundert gewesen und habe sich in Gedanken gefragt, »Was für Milch«, woraufhin ein Chor an Kinderstimmen »Milch von Kaszubowski!« gerufen habe. Dies ist die letzte überlieferte Beschreibung, die über die stereotypen Einträge späterer Zeit hinausgehen. Unter deutscher Herrschaft notierten die Ärzte vor allem, dass Frau Garnuszewska gewalttätig und laut sei sowie nachts nicht schlafe und »immer [...] zerfahren [ist]«, wie zum Beispiel der Eintrag am 29. März 1940 bemerkt. Der Grund für diese Symptome liegt für den Historiker auf der Hand; die Ärzte durften oder wollten ihn nicht erwähnen: Beginnend im September 1939 bis in den Januar 1940 hinein wurden tausende Patienten in den Wäldern um die Anstalt herum erschossen.

Warum Kazimiera Garnuszewska nicht unter den Opfern war, ist unbekannt. Bisher ist es nicht gelungen, Selektionskriterien ausfindig zu machen. Dass diese Massenmorde, deren Durchführung in der Anstalt sich unmöglich verheimlichen ließ, einen massiven Einfluss auf ihren Gesundheitszustand gehabt haben dürften,
liegt allerdings nahe.

Die letzte Eintragung in der Krankenakte Kazimiera Garnuszewska lautet: »22.7.1941 Verlegt nach einer sächsischen Anstalt.« Zusammen mit 540 anderen Patienten, darunter auch solchen der Danziger Anstalten Konradshammer und Silberhammer, wurde sie mit einem Eisenbahntransport nach Sachsen gebracht. Ein Teil der Patienten kam direkt nach Pirna, ein Teil nach Arnsdorf und von dort in die Tötungsanstalt oder in andere sächsische Einrichtungen.1


Das Grab der Familie Garnuszewski auf dem Warschauer Powązki-Friedhof enthält auch eine Tafel für Kazimiera Garnuszewska. Richtigerweise wird dort auf einer auf dem Grabstein aufgebrachten Tafel vermerkt, sie sei »durch die Hände der Hitleristen in Sonenstein (sic)« getötet worden.

Bild
Opferbiographie: Kazimiera Garnuszewska, Foto aus Krankenakte
Foto von Kazimiera Garnuszewska aus der Krankenakte. Bundesarchiv Berlin, R 179/28831.

Fußnoten

  1. Bundesarchiv Berlin, R 179/28831[back...]

Haben Sie mehr Informationen oder Anmerkungen zu Kazimiera Garnuszewska?

Bitte helfen Sie uns bei der Vervollständigung der Biografie von 'Kazimiera Garnuszewska'. Wenn Sie mehr wissen, Bild- oder anderes Material haben, würden wir uns sehr freuen, mit Ihnen in Kontakt zu kommen.