Margarete Höppel

Arbeiterin aus Würzburg

geb. in Eibelstadt (Bayern)
gest. in Pirna

Opferbiografie: Margarete Hoeppel, Porträtfoto

Biografie

Margarete „Grete" Höppel wird am 28. Dezember 1892 als drittes von sieben Kindern des Wagenwärtergehilfen Johann Höppel und seiner Frau Margareta Höppel (geb. Sauer) in Eibelstadt am Main, südlich von Würzburg geboren. Bereits 1894, als Grete eineinhalb Jahre alt war, zieht die Familie nach Würzburg.

Der erste Klinikaufenthalt

August 1916 bis November 1916

Über Gretes Kindheit ist nicht viel bekannt. Nach eigener Aussage, so würde man sie später in der Krankenakte zitieren, sei sie keine gute Schülerin gewesen. Nach ihrem Schulabschluss arbeitet Grete als Tütenkleberin beim Papierverarbeitungsbetrieb Flum und Lampert im Würzburger Stadtteil Grombühl. Und vermutlich liegt dort auch die Ursache für die tragische Wendung, die ihr Leben nehmen wird. Im Alter von 23 Jahren nämlich erleidet Grete plötzlich Krampfanfälle, ist reizbar und äußert immer häufiger sogar Todeswünsche. Infolge dieser Entwicklung wird sie am 19. August 1916 erstmals in die Psychiatrische Klinik der Stadt Würzburg eingewiesen, in der sie bis November desselben Jahres bleibt. Diagnose: Epilepsie.

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Opferbiografie: Margarete Hoeppel, Porträtfoto
Margarete Höppel, um 1911.

Doch es könnte eine andere Erklärung für die plötzlich auftretende Verschlechterung des Gesundheitszustandes der jungen Frau geben. Die Dämpfe von Lösungsmitteln, denen Grete bei ihrer Arbeit tagtäglich ausgesetzt ist, können eine sogenannte toxische Enzephalopathie auslösen – ein Umstand, über den in der damaligen Zeit keine Kenntnis herrscht. Eine solche Enzephalopathie äußere sich „durch diffuse Störungen der Hirnfunktion, Konzentrations- und Merkschwächen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, Reizbarkeit und Affektstörungen". Bei schwerer Vergiftung könne es außerdem zu ausgeprägten und dauerhaften Persönlichkeitsveränderungen sowie zu epileptischen Anfällen kommen – Symptome, die sich auch Jahre nach Ausübung der gefährdenden Tätigkeit noch zeigen und sogar verschlimmern können.

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Opferbiografie: Margarete Höppel, Firma Flum und Lampert
Werbung der Firma Flum und Lampert, nach 1930.

„Patientin macht einen sehr unintelligenten und trägen Eindruck, sie ist desorientiert über Ort und Zeit" , heißt es im Anamnesebericht der Würzburger Klinik über Grete Höppel. Zudem sei sie streitsüchtig und gegenüber anderen Patienten handgreiflich. „Sträubt sich gegen alles, was die Schwestern verlangen" und „Ihr Essen stiehlt sie sich von den Privatpatienten zusammen" lauten weitere Einträge in der Krankenakte. Grete, so gewinnt man den Eindruck, ist eine aufmüpfige Patientin, die ruhiggestellt werden muss. In Wahrheit aber leidet die junge Frau mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Folgen einer Vergiftung. Denn als Kind hat sie solcherlei Beschwerden nie gehabt. Nach viermonatigem Aufenthalt wird Grete schließlich im November 1916 aus der Klinik entlassen, vermutlich, weil die Anfälle seit geraumer Zeit seltener auftreten. Sie tut, was jeder an ihrer Stelle getan hätte: Sie nimmt ihre Arbeit wieder auf.

Der zweite Klinikaufenthalt

April 1917 bis Februar 1918

Doch es kommt, wie es kommen muss. Ende April 1917 wird Grete von ihrer Mutter erneut in die Psychiatrische Klinik gebracht. Die Tochter habe versucht, sie zu erwürgen und sich wenige Tage später aus dem Fenster stürzen wollen.
Wieder sitzt Grete in der Würzburger Psychiatrie, und die Berichte gleichen denen des ersten Aufenthaltes – die junge Frau wird als stark reizbar, aggressiv und impulsiv geschildert, sie äußere immer wieder Todeswünsche und klage über Schmerzen. Dennoch wechseln sich Phasen mit vielen Anfällen mit Zeiten ab, in denen Grete wochenlang stabil ist. Vermutlich ist dies auch der Grund, warum sie im Februar 1918 erneut von der Mutter abgeholt und entlassen wird.

 „28. Mai 1918, Anamnese: Patientin wurde auf Antrag der heimatlichen Armenpflege eingewiesen, sucht keinen Austausch und keine Aussprache mit ihren Mitkranken, sitzt untätig umher, lächelt manchmal vor sich hin, Nahrungsaufnahme gut."

Gretes Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Werneck

Mai 1918

Doch auch diese Freiheit wird nur von kurzer Dauer sein, mehr noch: Es wird das letzte Mal sein, dass Grete Höppel die Chance bekommt, ein geregeltes Leben zu führen. Schon am 25. Mai 1918 muss sie sich auf Anraten des Bezirksarztes erneut in psychiatrische Behandlung begeben – sie wird in die Heil- und Pflegeanstalt Werneck eingewiesen. Doch Gretes Zustand verbessert sich in keiner Weise. Weiterhin prägen starke Schwankungen – von Drohungen und Gewalt gegen Schwestern und Mitpatienten bis zu Todesängsten und Apathie – ihren Alltag. Besuch bekommt Grete, zumindest laut Krankenakte, kein einziges Mal

 „August 1924: Drängt ungestüm auf ihre Entlassung, will draußen arbeiten, ein schönes Leben führen, ‚jetzt sollen sich einmal ihre Geschwister hierherein setzen, sie hat es nun satt'."

Die seltener werdenden Einträge der kommenden Jahre zeigen, dass es der jungen Frau zunehmend schlechter geht. Wie wenig Grete mit ihren Sorgen ernst genommen wird, zeigen die Notizen des Pflegepersonals. Äußert die Patientin beispielsweise Schmerzen (die durchaus eine Folge einer vorher beschriebenen neuen Medikation sein können), so genügt „irgend ein indifferentes Mittel [...], um ihre Beschwerden verschwinden zu machen". Als im Januar 1923 ihre Mutter stirbt, bricht – so ist zu vermuten – eine wichtige Stütze in ihrem Leben weg. Denn es war doch die Mutter, die sie immer wieder versuchte, aus der Klinik herauszuholen.

Im August 1927 heißt es in der Akte schließlich lapidar: „Schreibt schwachsinnige Karten an ihre Angehörigen mit dem Verlangen, sie abzuholen" – ihre Angehörigen, ihre sechs Geschwister und der Vater, unternehmen aber offenbar keinerlei Versuche, ihrer Schwester und Tochter zu helfen.

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Opferbiobgraphie: Margarete Höppel, Sammeltransport nach Pirna-Sonnenstein
Eintrag aus der Krankenakte. Quelle: Bundesarchiv

Am 29. November 1940 wird Grete Höppel in Pirna-Sonnenstein ermordet
Insgesamt 22 Jahre ihres Lebens verbringt Grete Höppel in Heilanstalten, doch geheilt wird sie dort keineswegs. Am 3. Oktober 1940 verlegt man sie „wegen Räumung der Anstalt" zusammen mit 60 weiteren Patienten nach Großschweidnitz, in eine sogenannte Zwischenanstalt, die in erster Linie dazu dient, ein späteres Nachvollziehen der geplanten Morde zu verhindern. Am 29. November 1940 schließlich wird Grete in einem Sammeltransport in die als Heil- und Pflegeanstalt getarnte Tötungsklinik Pirna-Sonnenstein gebracht, in der sie und die anderen ankommenden Patienten noch am selben Tag mit Kohlenmonoxid vergast werden.

Gedenken

2015 wurde ein Stolperstein in der Schiestlstraße 32 zu ihrem Andenken verlegt. 2016 benannte die Stadt Würzburg den Platz vor dem Zentrum für Psychische Gesundheit als Margarete-Höppel-Platz nach ihr.

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Historischer Ort: Stolperstein für Margarete Höppel, Foto des Stolpersteines
Der Stolperstein wurde im Februrar 2015 in der Schiestlstraße 32 in Würzburg verlegt. Patin ist Stefanie Köster.
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Opferbiografie: Margarete Höppel, Foto der Einweihung des Margarete Höppel Platzes
Einweihung des Margarete-Höppel-Platzes im Stadtbezirk Grombühl am 23. September: Gegen das Vergessen: Alt-Oberbürgermeister Jürgen Weber, Stefanie Köster, die Großnichte von Margarete Höppel, Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Inge Weber-Pflüger, Prof. Dr. Jürgen Deckert und Prof. Dr. Sabine Herpertz (von links), 2016.

Text: Julia Frick, Gedenkort T4
Recherche: Stefanie Köster, Urgroßnichte von Grete Höppel

Quellen

  • Bundesarchiv Berlin R179/12916
  • Privatsammlung Stefanie Köster
  • Stadtarchiv Würzburg: Einwohnermeldebögen 1850-1920

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