Henriette Helene Lucie Fischbach
aus Berlin
geb.
in
Berlin
gest.
in
Meseritz (Międzyrzecz)
aus Berlin
geb.
in
Berlin
gest.
in
Meseritz (Międzyrzecz)
Henriette Helene Lucie Fischbach, die Helene genannt wurde, kam am 5. Februar 1894 in Charlottenburg (damals noch eine Stadt bei Berlin) als Tochter von Robert Fischbach und seiner Ehefrau Henriette geb. Behnke auf die Welt. Der 1865 geborene Vater war Maurer und Sohn eines Maurers, die fünf Jahre ältere Mutter war ein ehemaliges Dienstmädchen. Der Vater war katholisch, die Mutter evangelisch, beide stammten aus kleinen Orten in der damaligen Provinz Posen. Der Vater hatte acht Geschwister, von denen einige später in der Charlottenburger Nachbarschaft lebten – heute würden wir „im Kiez“ sagen. Die Eltern hatten 1889 in Charlottenburg geheiratet und bekamen in den folgenden Jahren (mindestens) sechs Kinder. Helene Fischbach war bereits das vierte Kind, sie kam – wie damals üblich – in der Wohnung zur Welt.
Die Familie hatte anfangs in der Krummen Straße gewohnt und lebte dann in der Kirchstraße, in der Nehringstraße, in einer Kellerwohnung in der Danckelmannstraße und schließlich in der Schillerstraße. Dann ist Robert Fischbach als Haushaltsvorstand nicht mehr im Berliner Adressbuch notiert. Die Wohnungen lagen im „alten“, dem proletarisch-kleinbürgerlichen Charlottenburg, nicht im „Neuen Westen“. Helene Fischbach wird keine einfache Kindheit gehabt haben. 1917 starb die Mutter in der Landesirrenanstalt Neuruppin, einer der vier großen Heil- und Pflegeanstalten der Provinz Brandenburg. Als Heimatadresse wurde Berlin-Charlottenburg angegeben, ihr Ehemann lebte aber bereits in Linden/Westfalen, heute ein Stadtteil von Bochum. Ob Helene Fischbach, damals Mitte Zwanzig, bereits ebenfalls in einem Heim lebte oder bei dem Vater in Linden oder bei den Verwandten in Charlottenburg, wissen wir nicht. – Sie scheint nie einen eigenen Haushalt gehabt zu haben, und sie ist auch in der Holtzendorffstraße 3 nicht unter ihrem Namen notiert.
Zum weiteren Leben von Helene Fischbach finden sich drei Anschriften, Stationen eines Lebens und Sterbens in der Heilanstalt: Im Mai 1939 lebte Helene Fischbach in den Kuckenmühler Anstalten in Stettin (heute Szczecin/Polen), dem größten Heim der Diakonie für körperlich, geistig und psychisch Behinderte in Pommern. Über ihr Leben dort lassen sich nur Vermutungen anstellen: Bekannt ist, dass die Patienten und Patientinnen der Anstalt nach dem NS-Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933 zwangssterilisiert wurden. 1940 wurden die Kuckenmühler Anstalten auf Befehl der Landesbehörden geräumt und die Bewohner und Bewohnerinnen in andere Heilanstalten transportiert. Die meisten wurden später während der „Aktion T4“, dem zentral organisierten und systematischen Massenmord an Behinderten und Kranken, in den Gaskammern von sechs Tötungsanstalten ermordet. Oder sie wurden nach dem Ende der „Aktion T4“ im Sommer 1941 in einzelnen Anstalten durch überdosierte Medikamente oder Nahrungsentzug getötet.
Helene Fischbach muss 1940 aus Stettin in die staatliche Heil- und Pflegeanstalt Berlin-Buch transportiert worden sein, ihr Name findet sich in der Opferdatenbank der Berliner Einrichtung. Gestorben ist sie fast zwei Jahre später in der Heil- und Pflegeanstalt Obrawalde in Meseritz, die von 1938 bis 1945 auf dem Gebiet der Provinz Brandenburg lag, aber Pommern zugeschlagen wurde (heute Międzyrzecz/Polen). Diese ebenfalls staatliche Einrichtung war seit Mitte Juli 1942 eine Tötungsanstalt geworden, in die die Patienten aus anderen Einrichtungen gebracht wurden.
Tausende wurden hier auf ärzliche Anweisung von Schwestern und Pflegern durch die Injektion von tödlichen Dosen von Morphium und ähnlichen Medikamenten getötet. Helene Fischbach wurde am 30. Juli 1942 ermordet. Międzyrzecz in Polen (das ehemalige Meseritz) ist seit 1993 Patenstadt des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, Obrawalde ist zur gemeinsamen Geschichte geworden. Für zwei Charlottenburger Opfer des Massenmords an den Anstaltspatienten wurden im Jahr 2004 Stolpersteine verlegt (neben Helene Fischbach für Max Borchardt, 1890–1942, aus der Goethestraße 16), und auch beim Kiezspaziergang vom 14. September 2013 wurde an die bis dahin vergessenen Opfer der NS-Diktatur erinnert. Trotzdem wissen wir noch immer viel zu wenig von ihrem Leben.
Quellen:
Berliner Adressbücher
Friedrich Bartels: Kuckenmühler Spuren: www.grieppommer.de/texte/Spuren/Buch.pdf
Angelika Ebbinghaus (Hg.): Opfer und Täterinnen, Frauenbiographien im Nationalsozialismus, Frankfurt/Main, darin: Töten aus Mitleid. Dokumentation: Krankenschwestern vor Gericht, S.273–309 (Zur Strafsache gegen die Ärztin Hilde Wernicke und die Pflegerin Helene Wieczorek aus Obrawalde)
Micaela Haas, Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf,
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
https://www.gedenkort-t4.eu/sites/default/files/media/file/18_0110_opferdatenbank_berlin_buch_dietmar_schulze.pdf
https://www.t4-denkmal.de/Die-Aktion-T4
https://www.mappingthelives.org/
Dr. Dietlinde Peters
Von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin
Dieser Text stammt von der Webseite des Bezirksamtes Chralottenburg-Wilmersdorf: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179272.php
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