Otto Helmreich
Arbeiter aus Berlin
geb.
in
Berlin
gest. in
?
Arbeiter aus Berlin
geb.
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Berlin
gest. in
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Otto Helmreich ist das älteste von fünf Kindern eines Webers und seiner Frau. Er selber ist auch Arbeiter. 1921 heiratet er, die Ehe bleibt kinderlos. Im Alter von 33 Jahren bekommt er die ersten epileptischen Anfälle, aber lebt sein Leben erst einmal wie zuvor weiter.
Am Silvestertag des Jahres 1924 kommt Otto Helmreich zum ersten Mal nach Wuhlgarten und kann die Anstalt bereits am 12. Januar des neuen Jahres wieder verlassen. Danach lebt er laut seiner eigenen Angaben mehrere Jahre anfallsfrei. Erst im Sommer 1929 wird er ein zweites Mal, diesmal auf Veranlassung der Ortskrankenkasse, an die Heil- und Pflegeanstalt Wuhlgarten verwiesen und geht am 12. Juli zusammen mit seiner Frau dorthin. Er gibt an, 1925 nach seiner Entlassung aus der Klinik, ein Jahr als Waggonentlader bei der Straßenbahn beschäftigt gewesen zu sein. Dann wurde er wegen Arbeitsmangel entlassen. Im Anschluss habe er immer nur vorübergehende Stellungen gehabt, als Platzarbeiter, Wächter, etc. Die Firmen haben alle pleite gemacht. Vom 3. September 1928 bis zum 3. Januar 1929 sei er bei der Firma Karee beschäftigt gewesen.
Wegen starkem Rheumatismus sei er dann im Lankwitzer Krankenhaus gewesen, da die Krankenkasse aber nicht zahlte, sei er nach 14 Tagen entlassen worden, obwohl er immer noch Rheuma hatte und arbeitsunfähig war. Seitdem lebte er von der Arbeitslosenunterstützung. Auch nach seiner Entlassung habe er keine Anfälle gehabt. Erst in der Nacht vom 6. Juli seien mehrere Anfälle in Verbindung mit Schüttelfrost aufgetreten. Es sei ein Gefühl gewesen, als ob elektrischer Strom durch seinen Körper ginge.
Auf die Frage, warum er nach Wuhlgarten gekommen sei, sagt Otto Helmreich »er könne ja doch nichts anfangen, die Finger wären noch immer kaputt. Er hätte das Gefühl, als wenn er beim Faustschluss etwas umklammere, mit anderen Worten, er könne gar nichts anfassen. Die Frau lebe z. Zt. lediglich vom Haushaltsgeld, das die Krankenkasse zahlt, einer Beschäftigung gehe sie nicht nach.« Der aufnehmende Arzt schreibt: »Mürrischer, wortkarger älterer Herr, der sich auf Befragen darüber beklagt, daß es hier so wenig zu essen gäbe, im übrigen aber guten Appetit und Wohlbefinden vorschützt.«
Otto Helmreich wird in die Feldkolonne geschickt und gilt als ausgezeichneter und zuverlässiger Arbeiter. Allerdings heißt es über ihn, er sei reizbar und herrschsüchtig; andere Patienten beschuldigen ihn, er würde grundlos auf sie los gehen, in seiner Akte gibt es immer wieder Angaben von Pflegern über Prügeleien.
Otto Helmreich will nicht in der Anstalt bleiben, sondern beantragt häufig Urlaub bzw. verlangt nach Hause entlassen zu werden. Er sei nicht krank. Seine Frau gibt wiederum an, sie sei selber sehr krank und könne ihn deswegen nicht dauerhaft zu Hause aufnehmen. 1934 erfolgt ein ärztliches Gutachten im Zusammenhang mit dem Erbgesundheitsgesetz, dass er sterilisiert werden soll. Daraufhin schreibt er an den Reichsinnenminister und an das Hauptgesundheitsamt, dass er seit drei Jahren keinen Anfall mehr gehabt habe und entlassen werden will. Eine Sterilisierung lehnt er kategorisch ab. Auch seinen Pfleger Götze informiert er diesbezüglich. Er beantragt seine Hospitalisierung, worauf die Anstaltsverwaltung ihm sagt, dass er sich erst sterilisieren lassen müsse.
»Bei jeder Besprechung wegen seiner Unfruchtbarmachung gerät er aber in grosse Erregung, völlig uneinsichtig, so dass wegen der Erregung eine Unfruchtbarmachung in einem Krankenhaus nicht vorgenommen werden könnte«, so lautet im Sommer 1939 ein Eintrag in der Krankenakte. 1941 wendet er sich an die Auskunftsstelle des Polizeipräsidiums um Entlassung bzw. Beschäftigung auf einer Arbeitsstelle, worauf er belehrt wird, dass er sich wegen einer Entlassung an den Pfleger zu wenden habe.
Am 6. Februar 1942 schreibt er schließlich an den Generalstaatsanwalt beim Landgericht Berlin: »Der Arbeiter Otto Helmreich, geb. 25. Dezember 1884 stellt hierdurch an die Oberstaatsanwaltschaft die Frage und bittet hierdurch um eine Untersuchung und Prüfung meiner Sache, ob ich noch länger in der Heil-u. Pflegeanstalt Wuhlgarten darf festgehalten werden. Bin von Anfang bis jetzt in der Anstalt als Hausarbeiter und in der Küche beschäftigt, fühle mich kräftig, gesund und arbeitsfähig. Auch bitte ich hierdurch mich von einem Gerichtsarzt untersuchen zu lassen. Bin in der Anstalt Wochentag und Sonntag beschäftigt, erhalte dafür keinen Pfennig. Wollte gern meine Schwester am Weihnachtsheiligabend besuchen, habe aber keine Erlaubnis erhalten … Leide an keinen Anfällen, welches von dem Oberarzt bestätigt worden ist und möchte gern mein Lohn und Brot draußen wieder selber verdienen.«
Die gleiche Eingabe schickt er auch an das Hauptgesundheitsamt. Die Generalstaatsanwaltschaft antwortet im Mai, »daß kein Anlaß vorliege, gegen die Anstalt Wuhlgarten einzuschreiten.« Als ihm von Seiten Wuhlgartens mitgeteilt wird, »daß einer Entlassung unter der Voraussetzung vorheriger Sterilisierung nichts im Wege stünde, streitet Helmreich, jeder Belehrung unzugänglich, hartnäckig das Vorhandensein einer Erbkrankheit ab. Es zeigt sich, daß in dieser Hinsicht eine Verständigung mit ihm nicht möglich ist.«
1943 gibt es überhaupt keinen Eintrag in seiner Patientenakte und am 28. Mai 1944 heißt es nur, dass er vom Tagesurlaub geordnet zurück gekommen sei. Als Resümee wird ihm 1945 bestätigt, er sei ein »fleissiger, zuverlässiger Einzelarbeiter in der Küche. Letzter Zeit keine Konflikte mehr. Oft im Tagesurlaub, kam geordnet zurück. Keine besonderen Ereignisse.«
3. Mai 1945: Otto Helmreich wird auf eigenen Wunsch als gebessert entlassen.
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