Diakonie Stetten

Heil- und Pflegeanstalt in Kernen-Stetten

Adresse:

Schlossberg 2
71394 Kernen-Stetten
Deutschland

Links:
Historische Orte: Diakonie Stetten, Aussenansicht

Über diesen Ort

Die Anfänge der Diakonie Stetten liegen nicht im Ort selbst. Im Jahr 1849 hatte eine Gruppe um den Gründer Dr. Georg Friedrich Müller eine Heil- und Pflegeanstalt gegründet, die zuerst in Vaihingen/Enz und dann in Winterbach beheimatet war. 1863 wurde das Schloss Stetten gekauft und ein Jahr später zog die "Heil- und Pflegeanstalt für schwachsinnige Kinder und Epileptische" dort ein. Innovativ war die Überzeugung von der Einheit körperlicher und seelischerHeilbehandlung  und Pflege sowie die Bildung der Kranken. 1933 wurde eine Heilerziehungspflegeschule von Inspektor Ludwig Schlaich, der seit 1930 in Stetten tätig war, eröffnet. 

Deportation und Ermordung der Patienten

In Stetten gab es eine "große Bereitschaft, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren" 1Dies ging sogar so weit, dass die Anstalt sich als "evangelisch-nationalsozialistischer Musterbetrieb" 2zu profilieren versuchte. Auf der anderen Seite standen Bemühungen insbesondere des Prastors Schlaich, die Würde auch schwerstbehinderter Kinder zu wahren. Dem stand jedoch die Mitwirkung der Anstalt bei insgesamt 187 Erbgesundheitsgerichtsverfahren, die zur Durchführung einer Zwangssterilisation eingelitet wurden, gegenüber. 

Am 16. Feburar 1940 informierte das württembergische Innenministerium die Anstaltsleiter über die Patientenmorde. Bereits Anfang Oktober 1939 waren die Meldebögen, mit denen die Patienten erfasst wurden, nach Stetten geschickt und von dort zwischen dem 30.10 und dem 28.11. nach Berlin zurückgesandt worden waren. Aufgrund dieser Angaben wurden in Berlin Transportlisten zusammengestellt. Die Anordnung zum Abtransport kam am 30. August 1940 aus Stuttgart - dort war der Ministerialrat Dr. Eugen Stähle für die Anstalten im Innenministerium zuständig. 

 

Widerstand

Nachdem schon am 30. Mai die Patienten, die kurz nach Kriegsbeginn aus Kork nach Stetten kamen, deopritert worden waren, konnte sich die Anstalt keinen Illusionen mehr über das Schicksal der "Verlegten" mehr hingeben.  Der schon erwähnte Inspektor Schlaich und der ärztliche Leiter Albert Gmelin protestierten bei höchsten Stellen in Berlin und wiesen Angehörige auf die bevorstehenden Transporte hin. Zunächst konnte ein Transport vorläufig verhindert werden: Der bereits vorgefahrene Bus wurde nach einem Telefonat mit dem Innenmisnisterium in Stuttgart wieder zurückgeschickt - die Patienten kamen aber dann bei einem späteren Transport um. Später weigerte sich Schlich, bei der Indentifikation der zur Deportation vorgesehen Patienten mitzuwirken. All diese Versuche, sich der NS-"Euthanasie" entgegenzustellen, waren allerdings nicht effektiv. 

Schlaich wird heute als eine der wenigen Personen, die Widerstand gegen die Patientenmorde leisteten, gwürdigt. (z.B. hier). Allerdings gibt es auch eine Legendenbildung und Schlaichs Schilderungen seines widerständigen Handelns müssen kritisch gewürdigt werden. 3

Deportationen

"„Gestern sind wieder die Auto dagewesen und vor acht Tagen auch, sie haben wieder viele geholt wo man nicht gedacht hätte. Es wurde uns so schwer, dass wir alle weinten.“ Aussage einer Bewohnerin der Anstalt Stetten 4

Insgesamt wurden innerhalb von 12 Wochen in sechs Transporten 327 Patienten nach Grafeneck gebracht, wo 323 von ihnen ermordet wurden. Elf Personen, die nicht deportiert worden waren, aber nach der Auflösung der Anstalt im November 1940 in andere Einrichtungen kamen, wurden in Hadamar ermordet. Mindestens 64 ehemalige Stettener Patienten kamen in anderen Anstalten ums Leben. Oft widersprüchliche Angaben zu Zahlen und Daten, die Darstellung folgt M5Eine Liste der Opfer wurde 2012 von Martin Kalusche in seiner Monographie zu Stetten, Das Schloss an der Grenze, veröffentlicht und ist auch online einsehbar

Gedenken

Am 21. November 1999, zum 150. Jahrestag des Bestehens der Diakonie, wurde in Stetten ein Denkmal des Bildhauers Markus Wolf der Öffentlichkeit übergeben. 330 Namen von ermordeten Patienten wurden auf drei Granitblöcke aufgebracht, später noch ein Kreuz hinzugefügt. 

Im Jahr 2010, also am 70. Jahrestag der Deportationen, erinnerte eine Aktion mit Stühlen und Hussen, die die Diakonie Stetten in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Kernen organisiert hatte, an die ermordeten Menschen. Die weißen Hussen über den leeren Stühlen machten auf die Opfer aufmerksam. Jährlich findet in jedem Jahr am Ewigkeitssonntag am „Stein des Gedenkens“ ein liturgisches Gebet statt.  

 

Bild
Historische Orte: Diakonie Stetten, Aussenansicht
Bild
Historische Orte: Stetten, Denkmal
Das 1999 errichtete Denkmal in Stetten mit den aufgebrachten Namen der Opfer und dem nachträglich hinzugeügten Kreuz.

Fußnoten

  1. Martin Kalusche, »Das Schloß an der Grenze«. Kooperation und Konfrontation mit dem Nationalsozialismus in der Heil- und Pflegeanstalt für Schwachsinnige und Epileptische Stetten i. R., Hamburg, 2. Auflage 2011, S. 438. [back...]
  2. Ebd., S. 439. [back...]
  3. Ebd., S. 442.[back...]
  4. Ernst Klee, Euthanasie im NS-Staat, Frankfurt 2010, S. 167[back...]
  5. artin Kalusche, »Das Schloß an der Grenze«, .a.O., S. 441. [back...]

Standort

Heil- und Pflegeanstalt

Schlossberg 2
71394 Kernen-Stetten
Deutschland

Historische Orte: Diakonie Stetten, Aussenansicht

Haben Sie mehr Informationen oder Anmerkungen zu Diakonie Stetten?

Bitte helfen Sie uns bei der Vervollständigung der Daten zum historischen Ort 'Diakonie Stetten'. Wenn Sie mehr wissen, Bild- oder anderes Material haben, würden wir uns sehr freuen, mit Ihnen in Kontakt zu kommen.