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Brüder- und Pflegehaus Martinshof(Martinshof Rothenburg Diakoniewerk)
Heil- und Pflegeanstalt in Rothenburg
Über diesen Ort
1898-1941 Brüder- und Pflegehaus Zoar; 1941-1945 Brüder- und Pflegehaus Martinshof; 1943-1945 auch als Verbandspflegeheim Martinshof bezeichnet; seit 1996 Martinshof Rothenburg Diakoniewerk
Von Manja Krausche
Am 26. September 1898 erwarb Pfarrer Martin von Gerlach zusammen mit einigen Diakonen das stillgelegte Fabrikgelände in Tormersdorf nahe der Stadt Rothenburg in der Oberlausitz. Bereits am 2. Januar des Folgejahres wurde das Brüder- und Pflegehaus geweiht und erhielt offiziell den Namen Zoar. Die Brüderschaft Zoar war der Inneren Mission angegliedert.
Gründung und Entwicklung des Brüder- und Pflegehauses Zoar bis 1933
Von der Königlichen Regierung in Liegnitz erhielt die Brüderschaft zeitgleich die Erlaubnis zum Betrieb eines Pflegehauses für „männliche Idioten, Kranke, Sieche und Epileptiker“. Aufnahme fanden Pfleglinge, wie die Patienten genannt wurden, aus den staatlichen schlesischen Anstalten Bunzlau, Plagwitz, Brieg, Freiburg und Schweidnitz. 1903 entstand mit der Aufnahme von Fürsorgezöglingen ein weiteres Tätigkeitsfeld. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Einrichtung sukzessive. Neben dem Stammareal in Tormersdorf kamen Außenstellen in der Stadt Rothenburg und in Leuthen im Kreis Sagan hinzu. Gab es zur Gründungszeit nur 35 Betten, so lag die Aufnahmekapazität 1933 bei durchschnittlich 350. Die Brüderschaft Zoar legte hinsichtlich ihres Betriebes von Beginn an großen Wert auf wirtschaftliche Autarkie. So verfügte sie neben verschiedenen Landwirtschafts-zweigen zur Eigenversorgung auch über diverse Werkstätten und Handwerksbetriebe. Die Einrichtung entwickelte sich zu einem florierenden Wirtschaftsunternehmen in der Region. Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen war unproblematisch, man schätzte sich gegenseitig.
Struktur und Arbeitsweise des Brüder- und Pflegehauses
Die Arbeitsweise der Brüderschaft war stets eng mit der Arbeitsweise der Pflegeeinrichtung verbunden. Sie bedingten sich gegenseitig und waren streng hierarchisch organisiert. Oberste Instanz war der Vorsteher. Er wurde auf Lebenszeit gewählt und vertrat und leitete das Brüder- und Pflegehaus in all seinen Angelegenheiten. Die Diakone respektive Brüder unterstellten sich in jeglicher Hinsicht der Brüderschaft. Sie waren den Weisungen des Vorstehers absolut gebunden. Das Brüderhaus war von Beginn an Ausbildungsstätte für den diakonischen Nachwuchs. Hier erhielten sie ihre theoretische Ausbildung, im Pflegehaus ihre praktische Befähigung.
Die Versorgung der Pfleglinge und Fürsorgezöglinge erfolgte nach dem Hauselternprinzip. Als Hauseltern fungierte ein Diakonenehepaar, das in der Krankenversorgung besonders erfahren war. Sie leiteten jeweils eines der Pflegehäuser und wurden von Hilfskräften, Ausbildungsbrüdern usw. unterstützt. Innerhalb der Häuser lebten sie mit ihrer eigenen Familie und den zugewiesenen Pfleglingen. Eine Trennung zwischen Privat- und Dienstbereich fand nicht statt. Die Pfleglinge sollten vielmehr in das Familienleben integriert werden. Die Zuweisung der Pfleglinge in die einzelnen Häuser geschah auf Grundlage ihrer Diagnose sowie ihrer Bildungsfähigkeit. In jedem Haus waren durchschnittlich 30 bis 50 Pfleglinge untergebracht. Sie wurden in die Arbeit des Hauses sowie in den Arbeitsalltag der Einrichtung eingebunden. Je nach ihren Fähigkeiten wurden sie in der Landwirtschaft, dem Handwerk oder der Hauswirtschaft beschäftigt.
Die medizinische Versorgung im Brüder- und Pflegehaus Zoar übernahm von 1899 bis zu seinem Tod 1914 Dr. Carl Hüttenmüller. Anschließend wurde Dr. Rudolf Knape verpflichtet. Dieser war über das Kriegsende hinaus in der Einrichtung tätig. Die Anstaltsärzte wohnten allerdings nicht auf dem Areal, sondern hatten jeweils eine Allgemeinarztpraxis und ihre Wohnräume in der nahegelegenen Stadt Rothenburg. Im Pflegehaus Zoar führten sie nur Visiten durch und wurden bei Bedarf gerufen.
Der Erste Weltkrieg und die Nachkriegszeit
Der Erste Weltkrieg hatte auf das Brüder- und Pflegehaus Zoar in mehrerer Hinsicht gravierende Auswirkungen. Vorsteher Martin von Gerlach hatte einen Großteil des Inventars der Einrichtung den Heeren und Lazaretten zur Verfügung gestellt. Des Weiteren investierte er alle finanziellen Mittel in den Kauf von Kriegsanleihen. Die meisten Diakone der Einrichtung, und ebenfalls viele Zöglinge, waren als Soldaten an der Front. Zurück blieben die Pfleglinge, die älteren Diakonenfamilien, der Vorsteher und die Diakonenfrauen. Das Hauselternprinzip und die Selbstversorgung der Anstalt kamen nun an ihre Grenzen. Auf Grund des Arbeitskräftemangels gingen die Erträge in der Landwirtschaft und in der Produktion zurück. Eine Absenkung der Pflegegelder verschärfte die Situation zusätzlich. In der Folge kam es auch im Pflegehaus Zoar zu Unterernährung und zu weiteren Erkrankungen auf Grund der schlechten Versorgungslage. Am Ende des Ersten Weltkrieges war das Brüder- und Pflegehaus Zoar nahezu bankrott. In den Pflegehäusern war in den letzten Kriegsjahren über die Hälfte der Bewohner verstorben.
1920 übernahm Divisionspfarrer a. D. Curt Zitzmann das Vorsteheramt des Brüder- und Pflegehauses Zoar. Durch Pragmatismus und Engagement gelang es ihm die Einrichtung wirtschaftlich wieder zu einem florierenden Unternehmen zu machen. Die Aufnahmekapazität der Pfleglinge und Zöglinge stieg bis 1933 auf durchschnittlich 352 Betten an.
Das Brüder- und Pflegehaus Zoar-Martinshof 1933-1945
Zwangssterilisationen
Vorab muss angemerkt werden, dass es bzgl. des Pflegehauses Zoar und seiner Nachfolgeeinrichtungen keine Überlieferung von Patientenakten, Zu- und Abgangsbüchern oder Verwaltungsunterlagen gibt. Eine genaue Angabe über die im Pflegehaus untergebrachten Personen lassen sich letztmalig für das Jahr 1938 machen. Bisher konnten in verschiedenen staatlichen und kirchlichen Archiven nur bruchstückhaft Unterlagen zu Zwangssterilisationen und Verlegungen von Patienten im Rahmen der „Euthanasie-Aktion“ zusammengetragen werden. Daraus lassen sich die nachfolgend beschriebenen Ereignisse rekonstruieren.
Das „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde im Pflegehaus Zoar sehr zeitnah und ohne Bedenken umgesetzt. Viele der untergebrachten Pfleglinge und Zöglinge dürften von dem Gesetz betroffen gewesen sein, auch vor dem Hintergrund, dass Zoar keine geschlossene Einrichtung war. Die wenigen vorliegenden Akten nennen als Diagnosen „Schizophrenie, angeborener Schwachsinn, Epilepsie“. Die Sterilisationsanzeigen wurden vorrangig vom Vorsteher Curt Zitzmann gestellt, der zuständige Anstaltsarzt schloss sich den Forderungen an. Obwohl kein Arzt, erstellte Zitzmann auch die meisten „Intelligenzprüfungsbogen“, die für die Sterilisationsanträge benötigt wurden. Nach der Anzeige der Pfleglinge und deren Begutachtung, erfolgten die Verhandlungen vor dem Erbgesundheitsgericht Görlitz. Anders als die Bezeichnung vermuten ließe, fanden die Prozesse nicht in Görlitz, sondern fast immer in der Pflegeanstalt Zoar selbst statt. Vermutlich wurden an den Prozesstagen stets über mehrere Fälle geurteilt. Beschloss das Gericht die Unfruchtbarmachung des Pfleglings, so wurde die Sterilisation im Diakonissenkrankenhaus Emmaus in Niesky angeordnet. Dieses zum Kaiserswerther-Verband gehörige evangelische Krankenhaus war zur Durchführung im Sinne des „Gesetztes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von Staatswegen ermächtigt worden. Bei den wenigen bisher aufgefundenen Patientenakten konnten keine Rückschlüsse auf Folgeerkrankungen bzw. Todesfälle gezogen werden. Ebenfalls können keine Aussagen darüber getroffen werden, wie viele Pfleglinge respektive Zöglinge sterilisiert wurden und wie viele Fälle ggf. abgelehnt wurden.
Einige erhalten gebliebenen Dokumente der Brüderschaft Zoar bezeugen für die Jahre 1935 und 1936, dass es eine Minderbelegung im Pflegehaus auf Grund der Sterilisationen gab. Viele der sterilisierten Pfleglinge und Zöglinge mussten nach Hause oder in eine Anstellung außerhalb der Einrichtung entlassen werden. Hintergrund war eine Forderung des Landeswohlfahrtamtes in Breslau, welche eine Entlassung der Pfleglinge forcierte. Von staatlicher Seite sollten dadurch Pflegekosten eingespart werden.
Standort
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