Landesanstalt Neuruppin(Ruppiner Kliniken)

Heil- und Pflegeanstalt in Neuruppin

Adresse:

Fehrbelliner Straße 38
16816 Neuruppin
Deutschland

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Fax: 03391 39-2009
Historische Orte: Landesanstalt Neuruppin, denkmalgeschütztes Hauptgebäude

Über diesen Ort

Bereits im Jahr 1801 hatten die Stände der Kurmark in der Neuruppiner Innenstadt eine "Irrenanstalt" eröffnet, die bis 1865 bestand. 1897 wurde die Landesanstalt Neuruppin mit 10 großen und sieben kleineren Häusern für 1600 Kranke südlich der Stadt errichtet. Die Anstalt hatte einen eigenen Bahnanschluß. 1958 wurde die Anstalt in Krankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Neuruppin und 1977 in Bezirksnervenklinik umbenannt. 1996 wurden das ehemalige Bezirkskrankenhaus und die ehemalige Bezirksnervenklinik zu den Ruppiner Kliniken fusioniert. 

Die Stadt Berlin verpflichtete sich 1924, Patienten in den brandenburgischen Anstalten versorgen zu lassen. Seit Ende der 1920er-Jahre wurden Sparmaßnahmen umgesetzt. Über ein Drittel der in der Landesanstalt Beschäftigten waren Mitglieder der NSDAP; 12 von ihnen Mitglied der SS.

Zwangssterilisationen

In der Anstalt Neuruppin wurden „höchstens 14 Prozent“ 1)der Patienten zwangssterilisiert. 1935 wurden 77, 1936 205, 1937 10, 1938 13 und 1939 14 Patienten dieser Operation unterworfen. Dietmar Schulze führt die relativ geringe Zahl auf den Umstand zurück, dass der Anstaltsdirektor Dr. Brandt die oft mit der Sterilisation einhergehende Entlassung vermeiden und die Arbeitskraft in der Anstalt belassen wollte. 2 Ab April 1937 wurden die Patienten der Anstalt in einer erbbiologischen Abteilung aufgenommen. Bis 1939 wurden 943 so genannte Sippentafeln erstellt.

Aktion T4

Bereits 1937 versuchte die Anstaltsleitung, die jüdischen Patienten nach Berlin abzuschieben, dies gelang aber nicht. Am 18. Juli 1940 wurden alle jüdischen Kranken aus Neuruppin nach Berlin-Buch gebracht. Die 59 Menschen wurden zusammen mit anderen jüdischen Patienten aus Brandenburger Anstalten in der T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel ermordet. 

Die Meldebögen zur Erfassung der Patienten wurden von der Berliner Zentrale der Aktion T4 spätestens im Januar 1940 nach Neuruppin gesandt. Bis zum 31. August 1941 wurden 2730 Meldebögen ausgefüllt. Am 25. April 1940 ging schließlich der erste Transport mit 33 Frauen aus Neuruppin in die T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel. Dieser Deportation folgten sechs weitere mit ca. 400 teils langjährigen Neuruppiner Patienten. Am 17. April wurde Neuruppin zu einer Zwischenanstalt – d.h., dass von nun an Patienten aus anderen Anstalten gesammelt wurden, bevor sie in den Tod deportiert wurden. Im Umkreis von 200 Kilometern um alle T4-Tötungsanstalten wurden solche Anstalten eingerichtet; die Neuruppiner bestand bis mindestens Februar 1941. 1940 wurden nur Patienten aus anderen brandenburgischen Anstalten aufgenommen.

Nach der Schließung Brandenburgs gingen die Transporte in den Tod nach Bernburg. Die Leitung der Anstalt in Neuruppin führte mehrere Innovationen in den Tötungsprozess ein: So ging es auf eine Initiative des Landesinspektors Paul Quoos zurück, dass Patienten ihr Name mit rotem Stift zwischen die Schulterblätter geschrieben wurde. 

Nach dem Ende der Morde in Brandenburg/Havel und Bernburg

Nach dem August 1941 wurden zahlreiche Patienten nach Neuruppin verlegt, vor allem aus Berlin. So kamen etwa Ende September 1941 350 Patienten der aufgelösten Landes-Heil- und Pflegeanstalt Neustadt/Holstein in der Anstalt an, viel wurden weiter nach Tiegenhof im Warthegau weitertransportiert. Bereits 1941 waren Teile der Anstalt für ein Wehrmachtslazarett beschlagnahmt worden; um den weniger gewordenen Platz zu kompensieren, wurden Patienten aus Neuruppin in verschiedene Anstalten weggebracht. Zusätzlich sollte 1942 ein Hilfskrankenhaus eingerichtet werden, auch wieder mit der Folge, dass Patienten in weiter östlich gelegene Anstalten gebracht wurden. Die noch verbliebenen fünf jüdischen Patienten kamen in das Sammellager in der Berliner Levetzowstraße und wurden von dort in Lager und Ghettos in den Osten deportiert. Im August 1943 wurden 4000 Patienten aus Anstalten in Brandenburg anderswohin deportiert , um Platz für die Opfer des Luftkrieges zu schaffen. Ziel war vor allem Meseritz-Obrawalde und Anstalten in der preußischen Provinz Sachsen, darunter Altscherbitz.  In Neuruppin erhöhte sich die Sterblichkeit unter den Patienten stark.  1943 starben 20,2% der Insassen durch mangelhafte Ernährung. 

Die Anstalt Neuruppin wurde am 13. Februar 1945 von sowjetischen Einheiten besetzt. Die Soldaten der Roten Armee trafen etwa 300 Patienten und zwei Ärzte und nur wenige Pfleger an. Zahlreiche Gebäude mussten für die Versorgung verwundeter sowjetischer Soldaten abgetreten werden. Lebensmittel- und Raumknappheit bildeten in den Jahren nach der Befreiung schwierige Probleme; alleine 1945 wird mit einer Sterblichkeit von 40 Prozent gerechnet. 

Juristische Aufarbeitung und Gedenken

Ende Januar 1946 forderte ein in zahlreichen Zeitungen der Sowjetischen Besatzungszone abgedruckter Aufruf Angehörige dazu auf, ihre ermordeten Familienmitglieder beim Hauptausschuss "Opfer des Faschismus" in Berlin zu melden. Zahlreiche Zuschriften gingen ein, dennoch kam es zu keinen juristischen Ermittlungen gegen u.a. die Direktoren der Anstalt Bruno Petzsch und Hans Berendes. 

Eine Ausstellung in der "Alten Kapelle" auf dem Gelände des Krankenhauses erinnert auch an die NS-Zeit.


Fußnoten

  1. Dietmar Schulze, Die Landesanstalt Neuruppin in der NS-Zeit, Berlin 2004, S. 63[back...]
  2. Ebda., S. 65f.[back...]

Standort

Heil- und Pflegeanstalt

Fehrbelliner Straße 38
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Historische Orte: Landesanstalt Neuruppin, denkmalgeschütztes Hauptgebäude

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