Wolfgang Brühl

Schüler aus Halle

geb. in Halle (Sachsen-Anhalt)
gest. in Bernburg

Opferbiografie: Wolfgang Brühl, Foto vor Schule

Biografie

Das barocke Stadtpalais des Pfänners und Juristen Carl Heinrich Reichhelm (1650–1724) entstand 1708 über den Resten noch älterer Vorgängerbauten. Im 19. Jahrhundert gehörte das Haus der Familie des Oberlandesgerichtsassessors Müller.

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Historischer Ort: Stolperstein für Wolfgang Brühl, Wohnhaus
In diesem Haus lebte Wolfgang Brühl in seinen ersten Lebensjahren.

1895, nach dem Tod von Rosa Müller, wurde das Gebäude der Stadt Halle übereignet, mit der Bestimmung, hier ein Heim für mittellose Töchter richterlicher Beamter einzurichten. Zu diesem Zweck wurde die „Assessor-Müller-Stiftung“ gegründet. In den 1920er-Jahren ging das Stiftungskapital durch die Inflation verloren, und der Magistrat von Halle beschloss 1924 die Neueinrichtung einer städtischen Kinderkrippe und Aufnahmestelle für Mütter mit Neugeborenen in schwierigen Lebenslagen. Wolfgang Brühl, geboren 1927, verbrachte hier seine ersten Lebensjahre. Später heiratete die Mutter und schenkte einem weiteren Kind das Leben. Wolfgang besuchte die Neumarkt- und später die Talamtschule. Ein Foto von 1934 zeigt ihn mit Schiefertafel vor einer großen Schultür. Die erhaltenen Krankenakten schildern den Fünfjährigen als unruhig, ängstlich, empfindlich und leicht verletzbar. Er habe anfallsartige Zustände, die aber nicht epileptisch aufzufassen seien. Seine schulischen Erfolge sind gering, und 1935 wird er gegen den Willen der Mutter durch Amtsgerichtsbeschluss in ein Erziehungsheim in Nordhausen eingewiesen. Dort attestiert man ihm, er sei ein „schwachsinniger Psychopath“, und schickt ihn in die „Neinstedter Anstalten“, eine diakonische Einrichtung für geistig behinderte Kinder und Jugendliche, deren Anstaltsleitung und Teile der Mitarbeiterschaft 1933 die nationalsozialistische Machtergreifung begrüßt hatten. Über 700 behinderte Bewohnerinnen und Bewohner der Neinstedter Anstalten wurden Opfer der „Euthanasie“-Morde.


Am 29. Dezember 1936 schreibt Dr. Wittenberg aus Neinstedt an die Staatsanwaltschaft Halle: „Wolfgang Brühl […] leidet an angeborenem Schwachsinn. Erhebliche Besserung und Heilung ist schon jetzt als ausgeschlossen zu erachten.“ Wolfgang besucht die Anstaltsschule mit nur geringem Erfolg. Am 4. März 1940 berichtet die Krankenakte, er helfe „beim Kartoffelschälen, ist leidlich anstellig und fügt sich gut ein“.


Auf Anordnung des „Reichskommissars für Reichsverteidigung“ wird der 14-Jährige am 24. April 1941 in die Landesheilanstalt Altscherbitz verlegt, dort am 16. Juni 1941 zusammen mit 89 weiteren Patienten abgeholt, nach Bernburg gebracht und in der Tötungskammer der „Heil- und Pflegeanstalt“ mit Gas ermordet. Den Angehörigen teilt man mit, er sei am 5. Juli 1941 „an Diphtherie“ verstorben.


Wolfgangs jüngere Schwester Evelyne erinnert sich an einen Besuch in Altscherbitz: „Hinter einer Gittertür stand er in einem blau-weiß-gestreiften Anzug, den Kopf kahlgeschoren, das Gesicht aufgedunsen und sagte, ‚Mama hole mich hier raus.‘“


Aufzeichnungen: Evelyne Götzinger

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Opferbiografie: Wolfgang Brühl, Foto vor Schule
Das Foto von 1934 zeigt Wolfgang Brühl mit Schiefertafel vor einer großen Schultür.

Im Rahmen der Filmreihe „Stolpersteine - Filme gegen das Vergessen“ des Studiengangs Multimedia und Autorschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wurde ein Film über Wolfgang Brühl von Sören Engels, Irene Schulz und Britta Zwigart produziert.

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