Margarete Hilbig

aus Berlin

geb. in Berlin
gest. in Brandenburg/Havel

Opgerbiographie: Margarete Hilbig, Porträtfoto

Biografie

Autorin: Constanze Lindemann

Als die Mutter von Margarete Hilbig am 19. Oktober 1929 ihre Tochter zur Aufnahme in Dalldorf/Wittenau begleitet, ist sie selber bereits 69 Jahre alt und kommt aus keiner leichten Situation. Ihren Mann hatte sie vor mehr als zwanzig Jahren verloren, ein Sohn war an Typhus gestorben und im Jahr 1928 die ältere Schwester von Margarete.

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Opgerbiographie: Margarete Hilbig, Porträtfoto
Margarete Hilbig, 1934.

Das Bezirksamt Kreuzberg hatte die Einweisung der Tochter veranlasst, wegen des Verdachts auf Schizophrenie und einer fortschreitenden Verschlechterung des Zustands seit 3 Jahren. Die Mutter gibt an, dass sich Margarete seit einem Jahr verändert habe und dass es sehr schwierig mit ihr sei. Sie habe fixe Ideen, sei misstrauisch, fühle sich verfolgt, ›man würde über sie reden‹.

Manchmal habe sie Schreikrämpfe, auch schwere Angstzustände, sei dann wieder hochgradig erregt und würde viel weinen. Margarete selber gibt an, ihre Nerven seien sehr angegriffen, sie habe ihre Arbeit aufgeben müssen und fühle sich sehr schwach. Margarete Hilbig wird in die Anstalt aufgenommen und auf Antrag der Mutter kommt sie am 1. August 1930 zu ihr in Pflege. Anfänglich wird der Mutter ein monatliches Pflegegeld von 50 Mark gezahlt. Im Zuge der Notverordnungspolitik der Reichsregierung in Verbindung mit der Kürzung der Sozialleistungen wird diese Summe allerdings innerhalb von zwei Jahren um fast die Hälfte zusammengestrichen und ab dem 1. Oktober 1932 auf 28 Mark herabgesetzt.

Im März 1933 kehrt Margarete aus der Familienpflege wieder zurück in die Anstalt Wittenau. Von dort wird sie im Februar 1934, mit der Diagnose »Schizophrenie «, an das Hauptgesundheitsamt (HGA) und den Kreisarzt gemeldet: »Eine Sterilisierung ist wünschenswert«. Margarete möchte entlassen werden. Sie sagt, sie würde »bearbeitet, gequält, der Rücken, wie die Augen, Knie und Beine, es gibt Stimmen, die sprechen alles nach, was ich denke.« Da sie offensichtlich nachts sehr unruhig ist und häufig wach, gibt es von den Pflegern 1934/1935 verschiedene sogenannte Wachberichte, in denen der Verlauf der Nacht beschrieben wird. Die Patientin würde laut stöhnen, wäre häufig außer Bett, störe die anderen, die schlafen wollen, würde laut jammern, sei gänzlich von Halluzinationen und Wahnideen beherrscht und bei Nachfragen hieße es nur ›Lassen Sie mich in Ruhe mit Ihren Fragen‹. Gelegentlich habe sie aber auch einen starken Rededrang. Aber sonst sei sie eine harmlose Patientin.

Im Mai 1936 wird sie in die Anstalt Wuhlgarten verlegt. Bei der Aufnahme dort fragt der Arzt, wie es ihr geht:

»Na Sie wissen ja, jeden Tag schlechter, diese Quälerei hält kein Mensch aus. Der Körper wird immer bezogen und behämmert. Die Obrigkeit hat den Nutzen, Sie und Ihre Freunde, der Hasse und Frau Dora, die jeden Tag von früh bis spät die Gedanken liest. Nur ich hab den Schaden. Einer spricht mir von früh bis abends ins Ohr, unablässig, Wort für Wort«. Als der Arzt fragt, was ihr ins Ohr gesprochen würde, sagt sie: »Was ich denke, höre, lese, schreibe; alles Quälerei an 6 Stellen, die Ohren brausen, die linke Seite wird beklopft, durch Kopfbearbeitung muß ich denken, lauter Quatsch, durch Zwang beim Essen wird mir der Mund zusammengequetscht … Auch meine Mama wird benutzt, gequält und in der Besuchsstunde gezogen, so daß sie gar nicht reden kann. Ich verlange nur meine Entlassung oder ich nehme mir das Leben.«

Die ärztliche Beurteilung von ihr ist gänzlich negativ. »Sehr erregbar, reizbar und explosiv, voll paranoider Ideen, halluziniert ständig, ganz uneinsichtig für die Krankhaftigkeit ihrer Ideen.« Und auch die Mutter, die ihre Tochter häufig besucht und versucht, ihr irgendwie die Situation zu erleichtern, wird 1937 einfach als »schwachsinnige Mutter« bezeichnet, die »völlig uneinsichtig ist; hat immer Vorschläge für Besserung der Tochter, Einreibungen, Fußbäder, Naturbutter, damit ihre Nerven gesund werden.«

1938 gibt es nur drei Eintragungen in der Akte, die Situation sei unverändert, 1939 nur noch zwei Eintragungen mit gleicher Aussage. Am 13. Juni 1940 geht der Antrag der Mutter in Wuhlgarten ein, Margarete Hilbig zu entlassen.

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Opferbiografie: Margarete Hilbig, Brief der Mutter
Brief der Mutter von Margarete Hilbig an die Anstalt Wuhlgarten, 1940.

Sie habe bei ihren regelmäßigen Besuchen festgestellt, dass sich der Geisteszustand erheblich gebessert habe. Dr. Lehmann antwortet umgehend, ihr psychischer Zustand habe sich in keiner Weise gebessert. Er lehnt den Antrag ab. 17. Juni 1940 Eintrag in der Akte: »Mit Sammeltransport in eine andere Anstalt verlegt. Dr. Lehmann«.

Margarete Hilbig wurde am 17. Juni 1940 in der T4-Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel ermordet.

Orte der Biografie

Geburtsort: Berlin

Berlin
Deutschland

Oranienburger Straße 285
13437 Berlin
Deutschland

Hauptaufenthaltsort: Berlin

Berlin
Deutschland

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